Auszüge und wichtige Erkenntnisse des Mitarbeitertrainings - von Edgar Künsting
Wer als Beamter, als Jurist, als Richter, als Staatsanwalt Anordnungen und Urkunden abfasst, ist verpflichtet, genau zu sein und sich an die vorgegebene Ordnung zu halten. Der Krieg gegen das Papierdeutsch ist uralt. Schon Friedrich II. hat dagegen gewettert, dass seine Beamten immer hundert Wörter benötigen, wenn zwei Worte genügen. Aber auch dieser König ist den deutschen Beamten nicht Herr geworden.
Papierstil - Beamtendeutsch - Kanzleistil
Hundertfünfzig Jahre weiter war in Urteilen wie folgt zu lesen: "Hiernach war die Begangenschaft des Diebstahls seitens des Angeklagten zu 1. vonseiten des Gerichts für festgestellt erachtet." Warum hat sich der Richter nicht entschieden zu schreiben: "Huber hat das Schwein gestohlen. Das ist festgestellt." Wenn noch 1910 ein Zeuge vor Gericht sagte: Vater schrie den Emil an. Halt die Schnauze, sonst haue ich dir eine rein, so fälschte der protokollierende Referendar die Aussage in die Worte um: Der Zeuge sagte, dass der Beklagte dem Kläger geäußert hätte: Halte deinen Mund, sonst gebe ich dir eine auf denselben. Weitere Beispiele hierzu wurden von Herrn Künsting mit den Teilnehmern rege diskutiert.
Unnötige Schnörkel wirken lächerlich - man trennt sich davon
Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 ist in einem gepflegten Kanzleistil geschrieben, der die lächerlichen Schnörkel abstreift, aber nie bis zur lebendigen Menschenrede durchdringt. In jedem achten seiner 2.385 Paragrafen, die es ursprünglich hatte, erfolgt etwas.
Im Jahre 1914 gestand ein Minister im Reichstag: "Als man das neue Luftverkehrsgesetz dem Deutschen Sprachverein zur Durchsicht geschickt hatte, sei es vom Sprachverein mit so viel roten Strichen zurückgeschickt worden, dass es ihn an die schlimme Zeit seiner Schuljahre erinnerte."
Heute leiden der Amts-Stil und die Gesetzgebung durch die Notwendigkeiten des europäischen Kompromisses.
Deutsche Gesetze sind vielfach Übersetzungen und Folgen ausländischer Normen, das hat der Sprachklarheit nicht gutgetan, da wir aus nachvollziehbaren Begründungen wissen, dass eine Übersetzung eines Normentextes, der aus vielen Sprachen als Kompromiss stand, immer mit Ungenauigkeiten in die eigene Sprache zurückübersetzt werden muss. Beispiele aus der Versicherungstätigkeit der Künsting AG wurden mit eingeflochten und zum besseren Verständnis erörtert.
Der Papierstil schädigt aber das Denken, wie alle Stilkrankheiten.
Was ist wohl hiermit gemeint, will Herr Künsting von den Mitarbeitern wissen: "Es ist schlimm zu sagen, es ist zu beklagen, dass von berufener Seite nicht Maßregeln ergriffen werden, wonach diesem Entvölkerungssystem unserer Wälder entsprechende Schranken gesetzt werden." Auf die Lösung kamen die Künsting Mitarbeiter leider nicht und Herr Künsting löst das Rätzel: "Der Autor forderte nichts weiter, als dass die Vogelfängerei verboten werden sollte."
Der Papierstil wäre leichter zu bekämpfen, wenn nicht die Schule, die Zeitung, der Rundfunk, das Fernsehen und die Behörde sowie das Internet ihn weiter vorantreiben würden.
Edgar Künsting erläutert, dass es hierzu eine einfache Idee und einen einfachen Ratschlag gibt: "Schreibe immer so und stelle dir vor, wie du redest, und zwar nicht zu einer unbekannten Menge, sondern zu einem Freund. Nur dann wirst du lebendig schreiben."
Goethe sagte einmal über seinen Schreibstil: "Wenn ich im Zimmer auf und ab gehe, mich mit einem entfernten Freund laut unterhalten kann und eine vertraute Feder meine Worte auffängt, so kann auch etwas davon in die Ferne gelangen."
Fazit für das Mitarbeiterteam der Künsting AG: Reden ist Silber und Schweigen ist Gold - nicht viele Worte führen zum Ziel, Verschnörkelungen und Füllwörter begraben die Lebendigkeit!
Das Neuhochdeutsche war zu Anbeginn eine geschriebene, keine gesprochene Sprache. Aufgewachsen in Kanzleien, genährt von Büchern, erzogen im verschnörkelten Amts-Stil führt es oft zu pedantischen Formulierungen, der frische Wind des Lebens weht in diesen Stuben nicht. Kennzeichnend für den Papierstil ist auch die Vorliebe für das Passiv. Auch das ist zu vermeiden (könnte man im Passiv so formulieren!).
Edgar Künsting bedankt sich bei allen Teilnehmern und freut sich auch die lebendige und kreative Umsetzung der Veranstaltung.
V.i.S.d.P.:
Edgar Künsting Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich