Die Mitglieder des Umwelt- und Wirtschaftsausschusses haben sich vor wenigen Wochen bereits gegen die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die sogenannte Taxonomie ausgesprochen. Doch damit ist das Projekt nicht vom Tisch. Am Mittwoch, 6. Juli, steht die Abstimmung im EU-Parlament an. Sollten beide Energieträger als ökologisch nachhaltig eingestuft werden, könnte das beispielsweise bedeuten, dass Kraftwerke herkömmlicher Bauart auch dann noch als umweltfördernd gelten, wenn sie erst in Jahrzehnten gebaut würden. „Ein Umstieg in erneuerbare Energien sieht anders aus“, sagt die ZdK-Präsidentin.
„Die sozial-ökologische Transformation ist die menschliche Kernaufgabe des 21. Jahrhunderts. Sie ist unverzichtbar, um die Erde als Lebenswelt zu erhalten“, sagt Stetter-Karp. Das ZdK setze sich deshalb dafür ein, dass die Europäische Union und damit auch Deutschland konsequent die Unabhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern verfolge. „Sollten Atomkraft und Erdgasenergie als ökologisch nachhaltige Energiequellen klassifiziert werden – ohne klare Kennzeichnung als Übergangslösung mit Ablaufdatum – unterläuft man damit nicht nur die Zielsetzungen der Transformation, sondern fördert darüber hinaus bewusst Investitionen in Sektoren mit verheerenden ökologischen Auswirkungen und Risiken.“
Für Anleger*innen, die ethisch-nachhaltig investieren wollten, sei dies ein völlig falsches Signal. „Unter Umständen steigt ihre Rendite, wenn sie in den kommenden Jahren in Kernenergie investieren oder Wirtschaftstätigkeiten unterstützen, die auf Kernenergie basieren. Das wäre fatal“, sagt Stetter-Karp.
Zudem mahnt sie die EU-Kommission, neben der ökologischen zeitnah auch die soziale Taxonomie zu erarbeiten. Der gegenwärtige Vorschlag lasse relevante soziale Aspekte noch vollkommen unbeachtet. Für kirchliche Anleger*innen – und nicht nur für diese – seien sozial nachhaltige Fragestellungen aber relevant. Sie stünden vor der Aufgabe, nicht nur auf ökologische Entwicklungen zu schauen, sondern auch auf die Einhaltung der Menschenrechte in der Produktion von Gütern, auf gerechte Löhne und eine angemessene Vertretung von Arbeitnehmer*innenrechten.
Stetter-Karp warnt davor, die Abstimmung im EU-Parlament als „Thema für Spezialist*innen“ abzutun. „Hier geht es um die konkrete Entscheidung, ob wir für den Transformationsprozess die richtigen Weichen stellen.“ Dem tiefgreifenden sozial-ökologischen Wandel dürften keine weiteren Steine in den Weg gelegt werden.
Das Präsidium des ZdK hatte bereits im April 2022 festgestellt: „Das Zusammentreffen von Pandemieerfahrung, Krieg in Europa und Klimakatastrophe muss Bestärkung sein, die notwendigen grundlegenden Veränderungen nicht zu stoppen, sondern kraftvoller voranzutreiben. Als Gesellschaft dürfen wir nicht in die Falle laufen, in Zeiten großer Umbrüche und Unsicherheit einen politischen „Rollback“ hinzunehmen, anstatt nachhaltige politische Weichen für die Zukunft zu stellen."