Auf dem Podium tauschten Prof. Dr. Carlo Masala, Leiter der Professur für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, Clemens Ronnefeldt, Friedensreferent beim Internationalen Versöhnungsbund, Dr. Andriy Mykhaleyko, Privatdozent am Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Jamila Schäfer MDB, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention, ihre Positionen aus. Moderiert wurde das Podium von Torsten Teichmann (Bayerischer Rundfunk).
Prof. Birgit Aschmann, ZdK-Sprecherin für ethische und politische Grundfragen, sagte: „Die nähere Vergangenheit gehört zu den strittigsten Fragen der aktuellen Politikdebatte. Hätte man den Krieg kommen sehen müssen? Welche Verantwortung ist den Politikern der Jahre vor der Zeitenwende anzulasten?“ Die Historikerin fuhr fort: „Gerade gestern habe ich noch mit einem guten Freund darüber gestritten, der nachweislich schon 2014 Zeichen an der Wand gesehen hatte und heute argumentiert, die deutsche Politik habe diese Zeichen vielen Warnungen zum Trotz nicht sehen wollen.“ Annegret Kramp-Karrenbauer, Sprecherin des ZdK für nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung, hatte zuvor in die Thematik eingeführt und von der „Notwendigkeit einer Friedensethik in Kriegszeiten“ gesprochen. Man müsse nun auf mehr europäische Zusammenarbeit setzen und über die aktuelle militärische Auseinandersetzung hinausdenken.
Im Zentrum der Diskussion stand das offensichtliche Dilemma, Frieden möglichst schnell zu wollen, aber militärische Unterstützung der Ukraine zu leisten. Was nach Jahrzehnten der Debatte um Frieden und Sicherheit in Deutschland und in Europa der Vergangenheit anzugehören schien, ist mit einem Krieg mitten in Europa seit Februar 2022 eine neue, eine aktuelle Frage.
Carlo Masala stellte heraus, dass „auf dem Schlachtfeld auch über die bessere Position am Verhandlungstisch entschieden“ werde. Deshalb müsse die Ukraine militärisch unterstützt werden. Nur so könne ein Verhandlungsfriede erreicht werden, der keinen Diktatfrieden Russlands bedeute. Jamila Schäfer MdB betonte, dass der Ukraine humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe geleistet werden müsse: „Putins imperialistischer Größenwahn muss gestoppt werden, damit Frieden einkehrt. Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden. Das ist das zentrale Prinzip einer pazifistischen Weltordnung.“
Wie ein Mit- und Nebeneinander möglich werden könne, beschäftigte Andriy Mykhaleyko. Das Ende des Krieges bedeute eben noch nicht automatisch den Übergang in eine friedliche Koexistenz Russlands mit der Ukraine: „Ohne eine tiefgreifende politische und gesellschaftliche Transformation Russlands werden wir weder in der Ukraine noch in Europa einen dauerhaften Frieden erreichen.“
Um diesen Frieden realisieren zu können, braucht es nach Clemens Ronnefeldt „eine breite internationale Unterstützung für einen Waffenstillstand, ein Ende des Blutvergießens und der Zerstörungen in der Ukraine, einen Rückzug der russischen Invasionstruppen sowie umfangreiche humanitäre Hilfe für die notleidende ukrainische Bevölkerung.“ Das Telefonat, das Xi Jingping jüngst mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi geführt habe, gebe erstmals Hoffnung, dass verhärtete Muster aufbrechen könnten. Daran müsse weiter gearbeitet werden, so Ronnefeldt.
Das ZdK setzte sich durch das Podium und in der sich anschließenden Plenumsdebatte ein weiteres Mal kritisch mit den verschiedenen Perspektiven auf Krieg und Frieden auseinander. Das Präsidium des ZdK und der Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung“ hatte bereits im September 2022 erklärt, dass „Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Verteidigung und dem Gebot der Gewaltlosigkeit“ sei für Christ*innen eine Herausforderung, die angenommen werden müsse. Auch der Katholikentag 2024 in Erfurt, den das ZdK veranstaltet, wird sich mit dem Thema prominent beschäftigen. Das Leitwort des Treffens lautet: „Zukunft hat der Mensch des Friedens.“