Die tatsächliche Entwicklung der Kunst in Ost und West richtete sich nicht nach dem Vorbild der politischen Geschichte. Vielmehr ergaben sich Themen und Techniken in Ost-Berlin und Köln, in Annaberg und Oberkassel, in Dresden und München aus den künstlerischen Arbeitsprozessen selbst. Die Ausstellung offenbart heute viele Parallelen und untergründige Beziehungen, Bilddialoge etwa zwischen Joseph Beuys und Carl Friedrich Claus, Arno Fischer und Chargesheimer oder in der jüngeren Generation zwischen Julian Röder und Wolfgang Tillmans.
Auf ihrem Rundgang als Zeitreise können die Besucher/-innen selten oder noch nie gezeigte Werke entdecken, unter anderem eine Serie von Papierskizzen von Sigmar Polke. Solche unerwarteten Begegnungen sind in der Ausstellung möglich aufgrund der ungewöhnlichen und innovativen Weise, wie die Kunstwerke zusammen getragen wurden. Die Werke wurden für die geplanten Ausstellungstourneen des ifa von jeweils dafür beauftragten Kurator/-innen ausgewählt. Die Nähe dieser vielen verschiedenen Fachleute zu den Künstler/-innen bewirkte eine frische Auswahl und führte im Sammlungsbestand zu einem pluralistischen, gleichwohl qualitätvollen Abbild der künstlerischen Entwicklungen.
Daraus erklärt sich unter anderem, dass die prozessorientierten, schwer musealisierbaren, eher sammlungsresistenten Praktiken der Fluxus-Bewegung mit Arbeiten von Dieter Roth, Wolf Vostell und Nam June Paik gleichwohl heute, nach weltweit sehr erfolgreichen Tourneeschauen, einen beeindruckenden Schwerpunkt des ifa-Bestandes bilden.
Die Besucher/-innen der Ausstellung können anhand größerer Werkblöcke von Chargesheimer, Arno Fischer, Otto Steinert, Barbara Klemm, Sibylle Bergemann, Helga Paris, Bernd und Hilla Becher sowie deren Schülern, Wolfgang Tillmans, Julian Röder und vielen weiteren Fotoarbeiten den Aufstieg der Fotografie als eigenständige Kunstgattung nachvollziehen und dabei zugleich Einblicke in den west- und ostdeutschen Alltag der letzten Jahrzehnte gewinnen. Dabei wird unter anderem deutlich, dass die Fotografie in der DDR, weil von den Behörden als Kunst unterschätzt, die am wenigsten kontrollierte Kunstpraxis war.
Die Nähe der wechselnden Kurator/-innen zu den Künstler/-innen erklärt auch, wie folgerichtig Werke von Künstlerinnen gesammelt und gezeigt wurden, und so feministische Thematiken der Kunst seit den 1970er Jahren ebenso wie die zunehmend selbstverständliche Bedeutung von Künstlerinnen für das Kunstgeschehen dokumentiert wurden.
Die Ausstellung ist bis zum 2. März 2014 in Karlsruhe zu sehen. Es erscheint ein Katalog. Im Anschluss präsentiert das ifa die Ausstellung im Museum of Modern Art, Moscow (Museum für Moderne Kunst, Moskau).
Über das ifa
Das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) engagiert sich weltweit für Kunstaustausch, den Dialog der Zivilgesellschaften und die Vermittlung außenkultur-politischer Informationen. Als führende deutsche Institution im internationalen Kunstaustausch konzipiert und organisiert das ifa weltweit Ausstellungen deutscher Kunst, fördert Ausstellungsprojekte und vergibt Stipendien; in den eigenen Galerien in Stuttgart und Berlin präsentiert das ifa Kunst, Architektur und Design aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa.
Die Fachbibliothek in Stuttgart, die Zeitschrift KULTURAUSTAUSCH und die Internetportale des ifa sind die wichtigsten Informationsforen zur Auswärtigen Kulturpolitik in Deutschland. Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart.