Das neu gebaute Institut in Oberschleißheim verfügt über eine Tierhaltung, in der ab dem Frühjahr vor allem Mäuse, Ratten und Schweine gehalten werden sollen (1). Berichten zufolge sollen aber auch Frettchen und Hunde für Versuche eingesetzt werden (2). Über die Haltungskapazitäten, also wie viele Tiere gehalten werden können, ist nichts öffentlich bekannt. Ein Schwerpunkt der Arbeiten wird auf der Erforschung von Zoonosen liegen, also auf Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Die Sicherheitsstufe S3, denen die Einrichtungen entsprechen, erlaubt dabei auch die Arbeit mit Viren und Bakterien, die beim Menschen eine schwere Krankheit hervorrufen können. In ihrer Pressemitteilung zur Neueröffnung betont die LMU die Bedeutung von Tierversuchen zur Validierung von Forschungsergebnissen, bevor sie klinisch genutzt werden können (3). Doch wie sinnvoll ist die Erforschung von Zoonosen in sogenannten Tiermodellen wirklich?
„Besonders eindrücklich zeigt sich die traurige Bilanz tierexperimenteller Infektionsforschung am Beispiel des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), bei dem es sich wahrscheinlich ebenfalls um einen vom Tier auf den Menschen übertragenen Virus handelt. Nach über 40 Jahren überwiegend tierexperimenteller Forschung gibt es noch immer keine Heilung und auch ein Impfstoff ist trotz gegenteiliger Versprechen bis heute nicht verfügbar“, erläutert Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche.
Auch bei Covid-19 handelt es sich mutmaßlich um eine Zoonose, und so wird die Corona-Pandemie von der LMU auch genannt, um die Relevanz und Aktualität der Zoonose-Forschung hervorzuheben. Allerdings war die schnelle Bereitstellung der Corona-Impfstoffe gerade kein Erfolg von Tierversuchen, sondern vielmehr durch Abweichen von den üblichen und tierexperimentellen Verfahren möglich. „Normalerweise dauert eine Impfstoffentwicklung, welche Tierversuche einschließt, durchschnittlich 12 Jahre. Letztlich war die schnelle Entwicklung der Corona-Impfstoffe zum großen Teil nur möglich, weil die üblichen Tierversuche verkürzt, übersprungen oder gleichzeitig mit den Tests an Menschen durchgeführt wurden (4). Die Beispiele HIV und Corona zeigen also, dass Tierversuche im Bereich der Zoonose-Forschung nicht nur nicht hilfreich sind, sondern die Forschung sogar ausbremsen“, so Walter.
Vor diesem Hintergrund 73,4 Millionen Euro in den Bau eines Forschungszentrums zu investieren, welches sich der tierexperimentellen Zoonose-Forschung verschrieben hat, ist nach Ansicht des Ärztevereins kontraproduktiv. Vielmehr sollten Steuergelder besser dazu verwendet werden, die tierversuchsfreien Methoden, welche sich bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen bereits bewährt haben, weiterzuentwickeln und zu fördern.
Und schließlich sei auch noch angemerkt, dass neben der Erforschung von Zoonosen auch ihre Prävention viel mehr Beachtung finden sollte. Zum Beispiel tragen die Massentierhaltung und der Transport von sogenannten Nutztieren über tausende Kilometer ebenso zur Übertragung von Krankheitserregern bei wie das Wachstum der Weltbevölkerung und die damit verbundene Zerstörung natürlicher Lebensräume, die Wildtiere erst in die Nähe des Menschen zwingt.
Quellen
(1) Universität München eröffnet neues Zentrum für Mikrobiologie. BR24, Beitrag vom 13.09.2023 >>
(2) Forschung an gefährlichen Keimen: LMU-Neubau in Oberschleißheim eröffnet. Abendzeitung München, Artikel vom 13.09.2023 >>
(3) Künftigen Pandemien vorbeugen: neues Mikrobiologie-Gebäude der LMU. News der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 13.09.2023 >>
(4) Ritskes-Hoitinga M et al. The promises of speeding up: changes in requirements for animal studies and alternatives during COVID-19 vaccine approval – a case study. Animals 2022; 12: 1735