Es war ein historischer Moment für den Tierschutz, als das Europäische Parlament mit einer Zustimmungsquote von 97 % einen Beschluss über einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung von Tieren in Forschung, behördlicher Prüfung und Ausbildung verabschiedete. Die Entschließung thematisierte mehrere Teilbereiche mit konkreten Vorschlägen, welche Schritte unternommen werden müssen, um Tierversuche in der Europäischen Union erfolgreich abzuschaffen. Die Kommission argumentiert in ihrer Reaktion auf dieses eindeutige Votum des Parlaments, dass die in der Resolution angesprochenen Maßnahmen bereits ergriffen werden würden.
So forderte das Parlament eine verstärkte Finanzierung tierversuchsfreier Forschung. Die Europäische Kommission behauptet, dass es im Rahmen der Horizon2020-Forschungsförderung bereits Unterstützung für tierversuchsfreie Forschung gäbe. Doch im Vergleich zu den immensen Summen, die für tierbasierte Forschung bereitgestellt werden, ist die finanzielle Unterstützung tierversuchsfreier Wissenschaft völlig unverhältnismäßig. Ein weiterer Kernpunkt der Resolution war die Forderung nach einer koordinierenden Instanz, um die Kommunikation zwischen verschiedenen EU-Institutionen und -Behörden wie ECHA, EMA oder EFSA und auch dem JRC zu verbessern. Dies ist unabdingbar für eine einheitliche Etablierung tierversuchsfreier Technologien und die Abschaffung von Tierversuchen für regulatorische, also gesetzlich vorgeschriebene, Zwecke. Die Kommission weist bezüglich dieses Punktes darauf hin, dass es ja mit der EPAA bereits eine Instanz gäbe, die genau dafür zuständig sei und ihre Aufgabe auch ausreichend erfüllen würde.
„Genau dies ist aber nicht der Fall, denn die fehlende Kommunikation zwischen den Behörden, wenn es um den Einsatz tierversuchsfreier Methoden geht, ist ein zentrales und stetig auftretendes Problem, was einer erfolgreichen Abschaffung der regulatorischen Tierversuche im Weg steht“, sagt Dr. Tamara Zietek, Wissenschaftskoordinatorin von Ärzte gegen Tierversuche.
Am enttäuschendsten ist, dass selbst die wichtigste Forderung der Resolution, nämlich ein konkreter Ausstiegsplan aus dem Tierversuch mit exakt definierten Schritten und einem konkreten Zeitplan, von der Kommission ignoriert wird. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass ein Ausstieg aus den Tierversuchen bereits in der EU-Tierversuchsrichtlinie enthalten sei und dass die Tierversuchszahlen ja bereits zurückgingen. „Auch dies ist nicht richtig und Augenwischerei“, so Dr. Zietek. „Die Richtlinie formuliert zwar das Ziel, aus dem Tierversuch auszusteigen, allerdings ist die Umsetzung mangelhaft, da die Richtlinie Schlupflöcher bietet und eben keine konkreten und verbindlichen Maßnahmen enthält. Die Tierversuchszahlen in der EU schwanken in den letzten 10 Jahren um 10-12 Millionen Tiere, es ist aber keineswegs ein klarer Abwärtstrend zu erkennen.“
Auch bei den zahlreichen anderen Forderungen und Vorschlägen in der Resolution reagiert die Kommission mit Rechtfertigungen, dass bereits entsprechend gehandelt werde und Maßnahmen implementiert seien. „Nachdem die fast einstimmig beschlossene Resolution des EU-Parlaments einen historischen Höhepunkt im Kampf gegen Tierversuche darstellte, so ist die niederschmetternde Reaktion der EU-Kommission ein vergleichbarer Tiefschlag“, schließt Dr. Zietek.
Weitere Informationen
Ärzte gegen Tierversuche e,V.: Historischer Erfolg für Tiere. 16.09.2021 >>
Reaktion der Europäischen Kommission >>
Europäische Bürgerinitiative „Save Cruelty Free Cosmetics – Für ein Europa ohne Tierversuche“ >>