Am Bionik-Innovations-Centrum Bremen werden Wanderheuschrecken zwei Wochen lang in Behälter gesperrt, die in eine Zentrifuge eingehängt sind. Durch Rotation der Zentrifuge mit bis zu 85 Umdrehungen pro Minute wirken auf die Insekten die dreifache, fünffache oder achtfache Schwerkraft ein. Bei fünffacher Schwerkraft sterben 49 % und bei achtfacher Schwerkraft 93 % der Tiere innerhalb der zweiwöchigen Versuchsdauer. Da die Heuschrecken bei erhöhter Schwerkraft nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen, wird der Versuch mit weiteren Tieren wiederholt, wobei die Zentrifuge jeden Tag für eine Stunde gestoppt wird – „Mittagspause“ von den Autoren der Veröffentlichung genannt. In einem weiteren Versuchsteil werden den Heuschrecken Gewichte auf den Rücken geklebt, bezeichnet als „Rucksäcke“. Die Tiere können sich nicht bewegen und fallen zur Seite oder auf den Rücken. Nach zwei Wochen sind von den Tieren mit Gewichten, die eine fünffache Schwerkraft simulieren, 96 % tot. Ein Versuch, der eine achtfache Schwerkraft mit entsprechend schweren Gewichten nachahmen soll, wird abgebrochen, weil sich die Heuschrecken überhaupt nicht bewegen. Am Ende der Versuche werden die Unterschenkel der überlebenden Heuschrecken abgeschnitten und untersucht. Ob und wie die Tiere zuvor getötet werden, wird nicht erwähnt (1).
Insgesamt wurden in diesen Versuchen über 1.000 Heuschrecken eingesetzt, von denen mindestens 907 in der Zentrifuge leben mussten. Tierversuche an Insekten unterliegen nicht dem Tierschutzgesetz und somit keiner Genehmigung. Doch wozu das Ganze? Ähnliche Versuche wurden bereits früher durchgeführt, bspw. an der Universität Ulm mit Fischen und Kaulquappen (2). Sie wurden im Namen der Weltraumforschung gerechtfertigt. Diese Heuschrecken-Experimente sollen Erkenntnisse darüber liefern, wie das Außenskelett von Insekten auf eine durch erhöhte Schwerkraft verursachte mechanische Belastung reagiert. Doch hieraus lässt sich weder ein Nutzen für den Menschen ableiten noch für die Heuschrecken, da Heuschrecken solchen Bedingungen in ihrem Lebensraum nie ausgesetzt sind. Dennoch wurde die Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 298.330 Euro gefördert (3).
„Wir sind entsetzt“, sagt Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche. „Diese Studie stellt eine immense Grausamkeit gegenüber Tausend Tieren dar und legt Verschwendung von Steuergeldern und nicht zuletzt des Potenzials der beteiligten Forscher offen.“
Empört ist der Verein auch über Medienberichterstattungen, die das Leid der Tiere herunterspielen und die Versuche falsch interpretieren. So vergleicht z.B. Deutschlandfunk Nova diese Tierversuche mit einer „wilden Party im Kettenkarussell“, welche „nicht stressig“ gewesen sei (4) und folgert, frei nach dem Sprichwort „Was Dich nicht umbringt, macht Dich nur stärker“, dass die Heuschrecken gestärkt aus den Versuchen hervorgehen würden. Fakt ist das genaue Gegenteil: Die Tiere können nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen, magern ab und bis zu 96 % der Tiere sterben noch vor Abschluss der Versuche.
Der Ärzteverein verlangt eine sachliche und fundierte Berichterstattung.
Quellen:
(1) Stamm, K., Dirks, J.H. Insect exoskeletons react to hypergravity, Proceedings of the Royal Society B 2023; 290: 20232141
(2) Gericke, C. Aus für Weltraumforschung an Tieren in Ulm, Pressemitteilung von Ärzte gegen Tierversuche vom 20.07.2010 >>
(3) Insektenzentrifuge - Effect of mechanical stress on insect exoskeletons, Projektbeschreibung auf der Homepage der Hochschule Bremen >>
(4) Mockenhaupt, K. Heuschrecken - Erhöhte Schwerkraft macht sie stärker, Deutschlandfunk Nova vom 10.12.2023 >>