Bei der Xenotransplantation wird ein Organ eines Tieres in eine andere Spezies transplantiert. Schon bei einer Transplantation innerhalb einer Art kommt es zu massiven akuten wie chronischen Abstoßungsreaktionen des Körpers, die nur durch lebenslange Gabe von die Immunabwehr unterdrückenden Medikamenten in Schach zu halten sind. Bei Übertragungen von einer Tierart auf eine andere ist diese Abwehrreaktion weitaus heftiger.
Diese Abstoßung versucht man durch „Vermenschlichung“ des Spendertiers zu beherrschen. Schweinen wird menschliches Erbgut eingeschleust und für Abstoßungsreaktionen verantwortliche Gene werden ausgeschaltet. So auch geschehen im aktuellen Fall, bei dem einem Mann in den USA das Herz eines genmanipulierten Schweins eingepflanzt wurde. Die Organe dieser genmanipulierten Tiere sollen damit von der Immunabwehr des Empfängers nicht erkannt werden. „Eine gefürchtete hyperakute Reaktion hat sich im aktuellen Fall damit anscheinend verhindern lassen“, so Dr. Gaby Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche. „Doch muss man davon ausgehen, dass es auch verzögerte Abstoßungsreaktionen geben wird. Deshalb wird der Organempfänger auf jeden Fall immunsenkende Mittel einnehmen müssen, die weit über das Maß hinausgehen, das man von der Transplantation eines menschlichen Herzens kennt.“
Diesem Menschenversuch voraus gehen seit Jahren Tierversuche, bei denen Schweineherzen in Affen – meist Paviane – eingepflanzt werden. Die Primaten werden einem wahren Medikamenten-Cocktail ausgesetzt, der für eine Anwendung im Menschen kaum realisierbar wäre. Die Tiere erhalten unter anderem Schmerzmittel, Cortison und eine Vielzahl weiterer Medikamente und Antikörper zur Blutdrucksenkung oder Stützung des Kreislaufs, zur Unterdrückung einer Abstoßungsreaktion, zur Verhinderung von Thrombosen, zur Unterdrückung von Entzündungen, bakteriellen und viralen Infektionen und zur Bildung von roten Blutkörperchen. Alle Medikamente weisen ein breites Spektrum von schweren Nebenwirkungen auf. Trotzdem sterben die meisten Affen bereits nach Stunden oder wenigen Tagen qualvoll an Organversagen. Auch in Deutschland werden solche Xenotransplantationsversuche seit Jahrzehnten an der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt.
Eine weitere Problematik besteht in der potenziellen Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung von bislang unbekannten Krankheiten. Denn im Erbgut der Schweine können sich Viren verbergen, die für diese harmlos sind, aber potenziell gefährlich für den menschlichen Empfänger des Organs. Und nicht nur für ihn. Denn spätestens durch Corona weiß man, dass tierische Krankheitserreger sich verändern und auf den Menschen überspringen können. Ende der 1990er Jahre kam die Fremdorganforschung fast zum Erliegen, als entdeckt wurde, dass Schweine-Retroviren (PERV) menschliche Zellen im Reagenzglas infizieren können.
Selbst wenn die enormen Hürden bei der Abstoßung überwunden werden sollten, bleibt unbekannt, wie ein Schweineorgan auf den menschlichen Lebenswandel reagiert. Die gegenüber dem Schwein sehr viel höheren Cholesterinwerte des Menschen können zur Verstopfung der Blutgefäße führen. Bis heute weiß niemand, ob tierische Organe überhaupt von menschlichen Hormonen reguliert werden können. Zudem ist unbekannt, inwieweit sich die sehr viel kürzere Lebensspanne des Schweins auf das transplantierte Organ auswirkt.
„Gerade zum Wohle von Patienten kann die Lösung für den akuten Organmangel nicht in der völlig unkalkulierbaren Xenotransplantation liegen“, so Neumann. „Viel wichtiger sind der verstärkte Fokus auf Verbesserungen von Präventionsmaßnahmen und die Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten mit Hilfe von sinnvollen, humanrelevanten tierversuchsfreien Hightechmethoden.“
Weitere Infos:
Ärzte gegen Tierversuche, Stellungnahme zu Xenotransplantation 06.12.2018 >>