"Im Distrikt Thyolo in Malawi behandeln wir derzeit 7.000 HIV/Aids-Patienten ", sagt Veronica Chikafa, Krankenschwester bei Ärzte ohne Grenzen. "Bis zum Jahresende müssten wir die Zahl auf 10.000 erhöhen, doch unser Programm stößt an seine Grenzen, weil wir nicht genügend Pflegepersonal, Ärzte und medizinische Assistenten haben." In Lesotho, wo 23,2 Prozent der Menschen zwischen 15 und 49 Jahren mit dem HI-Virus infiziert sind, gibt es gerade einmal 89 Ärzte für knapp zwei Millionen Einwohner. Im Distrikt Mavalane in Mosambik müssen die Patienten wegen fehlender Ärzte und Krankenschwestern bis zu zwei Monate auf den Beginn ihrer Behandlung warten. Eine Wartezeit, die viele Kranke nicht überleben.
Die Krise ist weitgehend bekannt, es wird aber nur wenig dagegen unternommen. Ärzte ohne Grenzen fordert die Regierungen auf, Notfallpläne einzuführen, um das Personal im Gesundheitswesen zu halten und neues Personal zu gewinnen. Diese Pläne müssten Maßnahmen wie Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen beinhalten. In den meisten Ländern wird es diese Schritte aber nur geben, wenn die internationalen Geldgeber ihre Taktik ändern und damit beginnen, auch Kosten für Löhne finanziell zu unterstützen. Dies ist bisher in vielen Finanzierungskonzepten für HIV/Aids-Programme nicht der Fall.
"Es ist unbegreiflich, dass Geldgeber Mittel für lebenslange Aidsbehandlung und den Bau von neuen Krankenhäusern zur Verfügung stellen, sich aber weigern, die Löhne der Angestellten im Gesundheitswesen vor Ort zu fördern", sagt Sharonann Lynch von Ärzte ohne Grenzen in Lesotho. "Menschen, die mit HIV/Aids leben, brauchen nicht nur Medikamente und Kliniken; sie brauchen ausgebildete, motivierte Arbeitskräfte im Gesundheitswesen, von denen sie untersucht, betreut und behandelt werden."
Um den Zugang zur HIV/Aids-Behandlung in ländlichen Gebieten auszubauen, ist Ärzte ohne Grenzen derzeit auf eine Verschiebung der Aufgaben von Ärzten auf Pflegepersonal und von Pflegepersonal auf Helfer aus den Gemeinden angewiesen. Doch diese Maßnahmen heben den Bedarf an zusätzlichen ausgebildeten Arbeitskräften nicht auf.