Prof. Dr. Georg Behrens, Präsident der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG), und Klaus-Peter Schäfer, Landesvorsitzender der AIDS-Hilfe NRW, zogen positive Bilanz. „Die acht Diskussionsforen griffen Inhalte auf, denen wir uns perspektivisch individuell, in unseren Berufsfeldern und auch als Gesellschaft zu stellen haben“, sagte Behrens. Er stritt mit seinem Kollegen Prof. Dr. Hans-Jürgen Stellbrink aus Hamburg, ob HIV in absehbarer Zeit heilbar sei oder nicht. In dieser Kontroverse traten sowohl die realistischen Möglichkeiten zutage, die sich der medizinischen Forschung zur Bekämpfung des HI-Virus böten, als auch der Aufwand für die forschenden Institutionen, die individuellen Beeinträchtigungen für Patientinnen und Patienten sowie die Perspektiven, die mit einer möglichen Heilung verbunden wären.
Ob die Tatsache, dass Menschen mit HIV unter der Nachweisgrenze nicht mehr infektiös sind, als Botschaft für Präventionskampagnen dienen könne, darüber stritt Silke Klumb, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe, mit Dr. Heinrich Rasokat von der Uniklinik Köln. Dass eine erfolgreiche Therapie vor weiteren HIV-Übertragungen schützt, scheint unstrittig. Kondome schützten aber zu 60 Prozent auch vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI), weshalb auf sie nicht verzichtet werden könne, so Rasokat. Klumb plädierte jedoch für eine breite Aufklärung, wodurch alle in die Lage versetzt werden, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und die für sie passende Schutzmethode auszuwählen.
Besonderer Aufmerksamkeit erfreute sich die Diskussion über die strafrechtliche Bewertung von HIV-Übertragungen in Deutschland. Rechtsanwalt Jacob Hösl monierte die auf völlig veralteten Grundlagen basierende Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs von 1988, die immer noch als Rechtsgrundlage aktueller Urteile herangezogen werde. Oberstaatsanwältin Margarete Heymann aus Köln vertrat dagegen die Meinung, dass auch die Übertragung anderer schwerwiegender STI in gleichem Maße strafrechtlich beurteilt würde. Dem widersprach Hösl. Heymann machte deutlich, dass wissenschaftliche Entwicklungen in vielen Fällen über Gutachten in Verfahren einfließen, die angefragten Beurteilungen zur Infektiösität aber nicht einig seien. Andererseits forderte sie die anwesenden Vertreterinnen und Vertretern aus Medizin und Aidshilfe auf, sich in die Diskussion einzuschalten, da Juristinnen und Juristen schließlich auch diskussionsfreudig seien und durchaus sensibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren könnten.
Prof. Behrens griff dies auf und betonte, seitens der Medizin wolle man gern dazu beitragen, dass die Nichtinfektiosität bei Menschen mit HIV unter der Nachweisgrenze bekannter werde und auch in Juristenkreisen größere Berücksichtigung finden könne. Die Anwesenheit der Oberstaatsanwältin auf der Fachtagung wurde besonders honoriert, da sie die Diskussion mit dem Publikum nicht scheute.
„Auch die dritte Auflage von HIV-KONTROVERS hat gezeigt, dass der konstruktive Dialog die zielgruppennahe Prävention und die patientenorientierte Behandlung weiterbringt“, sagte Klaus-Peter Schäfer. „Wir hoffen, dass es auch 2014 zu einer weiteren Fachtagung kommt und wir diesen kontroversen Dialog fortsetzen können.“