„Verantwortung lässt sich weder teilen, noch delegieren“, erklärte Guido Schlimbach von der AIDS-Hilfe NRW. „Eine Kriminalisierung legt aber nahe, dass allein die Menschen mit HIV für den Schutz zuständig sind. Dabei ist die Richtschnur unserer Prävention die hundertprozentige Verantwortung aller, in erster Linie für sich selbst, aber auch für das Gegenüber.“ POSITHIV HANDELN, die Landesarbeitsgemeinschaft der Menschen mit HIV in NRW hatte bereits im November 2011 öffentlich darauf hingewiesen, dass die Strafverfolgung kein angemessenes Instrument der Infektionsvermeidung ist. Die Position von POSITHIV HANDELN ging in das Papier der Deutschen AIDS-Hilfe ein.
„Suchstrategien und Isolierung haben noch nie geholfen, vor HIV zu schützen“, sagte Schlimbach. „Die Stigmatisierung der HIV-Positiven führt vielmehr dazu, dass diese ihre Infektion und den Schutz vor Ansteckung nicht thematisieren.“ Da das Wissen um eine Infektion die Voraussetzung für eine Bestrafung ist, wird die Kriminalisierung viele vom HIV-Test abhalten, die eventuell ein relevantes Infektionsrisiko haben. Andererseits aber wiegt sie Nichtinfizierte in falscher Sicherheit.
Darüber hinaus muss die Rechtsprechung zur Kenntnis nehmen, dass eine gut verlaufende HIV-Therapie genauso wirksam vor Ansteckung schützt wie Kondome. „Wir fordern Gerichte und Staatsanwaltschaften auf, eine HIV-Übertragung und –Exposition zukünftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen.“ Die Aidshilfen wünschen sich eine gesellschaftliche Debatte über Schuld und Verantwortung, bei der Sexualität, Rausch und HIV keine Tabuthemen sind. Wenn die herkömmlichen „Täter-Opfer-Zuweisungen“ aufhören, können alle Menschen mit HIV in Deutschland besser leben.