Ruhm, Ehre und Geld - von all dem bekommt der undankbare Vierte bei Olympia nichts. Um das Schicksal der vergessenen Verlierern etwas abzumildern, widmet fitness .com den besten der Verlierer ein Portrait zum Trost. Heute: Fabian Hambüchen – mit einer Hand vorbei gegriffen.
Im Turnen ist die Luft in der Weltspitze dünn. Sehr dünn. Und das gilt insbesondere bei den Olympischen Spielen, wo die besten Athleten um die Medaillen kämpfen. Deutschlands Medaillenhoffnung Fabian Hambüchen musste dies gerade im wahrsten Sinne sehr schmerzlich erfahren. Ausgerechnet an seinem Paradegerät, dem Reck, leistete sich Hambüchen beim Teamwettbewerb einen Griff-Fehler, stürzte und musste die Übung vorzeitig beenden. Damit ist der Traum vom ersten olympischen Edelmetall für den erst 20-Jährigen aus Bergisch Gladbach – zumindest vorerst – geplatzt. Denn auch seine Teamkollegen Phillip Boy beim Sprung und Marcel Nguyen am Barren zeigten Schwächen und mussten so sich die deutsche Mannschaft hinter China, Japan und den USA mit dem undankbaren vierten Platz begnügen.
An der Nervosität kann es bei Hambüchen eigentlich nicht gelegen haben. Denn für sein Alter hat das größte deutsche Turntalent schon jede Menge Wettkampferfahrung. Im vergangenen Jahr holte Hambüchen am Reck Gold bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart. Und bereits 2004 durfte Hambüchen an den Olympischen Spielen in Athen teilnehmen. Damals wurde der 1,63 Meter kleine „Turnfloh“ bekannt, weil er frech und witzig mit der enormen Aufmerksamkeit umging, die ihm von den Medien zuteil wurde. Es waren weniger die Resultate, die ihn vor vier Jahren in den Mittelpunkt des Interesses der olympischen Spiele rückten, auch wenn ein 7. Platz am Reck eine respektable Leistung darstellte: Aber Hambüchen war in Athen das Nesthäkchen der deutschen Delegation. Mit 16 Jahren war er der jüngste Teilnehmer, der die deutschen Farben vertrat – 16 ist auch die Altersgrenze, unter der man nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen darf.
Gerade im Turnen, wo man bereits sehr früh ein sehr hohes Leistungsniveau erreichen kann, ist diese Grenze wichtig, auch um die Sportler selbst zu schützen. Man erinnere sich nur an die abgemagerten minderjährigen Mädchen aus Osteuropa, die noch in den 80er Jahren an den Spielen teilnehmen durften.
Hambüchen ist alles andere als abgemagert. Der kleine Mann trägt ganz schöne Muskelpakete mit sich herum. Obwohl Hambüchen durch Sponsoren- und Werbeverträge schon als Teenager zum Star und Millionär avancierte, kümmerte er sich auch um seine außersportliche Ausbildung. Im vergangenen Jahr machte der Sportler des Jahres 2007 sein Abitur an einem Gymnasium in Wetzlar. Hambüchen muss seinen Sturz nun wegstecken und er wird ihn auch wegstecken: Im Einzelwettbewerb am Reck gilt er weiterhin als heißer Gold-Kandidat hier bei den Olympischen Spielen in Peking. Aber wer den lockeren Typ mit der lustigen Brille kennt, weiß, dass er damit umgehen kann. An Selbstbewusstsein mangelt es dem 20-Jährigen nicht.
Und Hambüchen hat ein Umfeld, in dem alles passt: Von seiner Familie erfährt er die Unterstützung, die er braucht. Vater Wolfgang, selbst früher aktiver Turner, tritt als sein Betreuer auf und auch wenn es hin und wieder zu Spannungen zwischen den beiden kommt, sind sie ein eingespieltes Team. Seit Andreas Wecker 1996 bei Olympia in Atlanta Gold holte, brachte kein deutscher Turner mehr eine Medaille von Olympischen Spielen mit – es wäre also mal wieder an der Zeit. Und der Turnfloh hat noch immer beste Aussichten. Aber Fehler darf man sich in der Weltspitze nicht erlauben.
Die Luft ist dünn – besonders am Reck.
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