Ganz unscheinbar steht das flache Gebäude an der Hamburger Feldstraße, fast verschluckt von dem gegenüberliegenden riesigen Bunker. Autos rasen lärmend vorbei, die Hektik der Stadt ist an diesem Verkehrsknotenpunkt gut zu spüren. Doch beim Betreten des unauffälligen Hauses merkt man gleich, dass hier andere Gesetze herrschen als die Zeit. Die Tür geht zu, der Lärm der Straße ist fort und mit den Kleidern werden auch die Sorgen des Alltags abgelegt. Jetzt gehört man nur sich selbst.
Reines Wasser als Erholungskur
Nur mit einer Badehose bedeckt und einem leichten Tuch um den Körper gewickelt, betritt man den wohligwarmen Raum. Die Wände und der Boden mit purem Marmor überzogen, erzeugt das dämmerige Licht eine intime Atmosphäre. Das einzige Geräusch ist das Plätschern des Wassers, das aus Hähnen in marmorne Becken fließt. Der beheizte Boden ist ebenfalls überflutet von einer Schicht dampfenden Wassers. Aus kupfernen Schalen, die in die Marmorbecken getaucht werden, übergießt man sich mit der wohltuenden Flüssigkeit. Dies ist der Beginn des traditionellen Reinigungsrituals, wie es die Menschen früher in Griechenland, Rom und später im Osmanischen Reich wöchentlich begingen.
Massage auf heißem Marmor
Doch was früher als soziale Begegnungsstätte diente, in dem man gemeinsam aß und trank, die letzten Neuigkeiten lebhaft austauschte und ganz nebenbei von seinem Körper allen Schmutz und jedes Haar entfernte, so gilt das Hamam in Hamburg als Ort der Entspannung. Das Podest aus Marmor bildet in der Mitte des Raumes unter einer Himmelskuppel die Ruhezone. Hier durchdringt die auf 42 Grad geregelte Wärme des Bodens den ganzen Körper, die Gedanken werden schummerig, man fängt an zu dösen.
Noch rechtzeitig vor dem Tiefschlaf bittet der Masseur auf einen ebenfalls aus Marmor gemeißelten Massagetisch. Zunächst schrubbt der Masseur den kompletten Körper mit einem rauen Handschuh ab. Die dadurch sensibilisierte Haut wird mit leichtem Schaum übergossen, der dann mit einem weichen Tuch verteilt wird. Warmes Wasser spült danach alles runter und die Massage aus Öl oder Schaum kann beginnen. Schon lange hat man die Zeit vergessen.
Gebettet auf tausend und einem Kissen
Doch ohne dass man nach der Behandlung wieder jäh in die Realität entlassen wird, öffnet sich zunächst ein mit Kissen, Polstern und Liegen ausgestatteter Ruheraum. Dies ist quasi der zweite Teil des Hamambesuchs, der ganz der Erholung und der Nachwirkung der vorherigen Behandlung gedacht ist. Türkische Tees werden serviert und wer noch möchte, kann Obst, süße Blätterteigspeisen oder warme Mahlzeiten essen. Häufig schaut auch die Herrin des Hauses, Selma Costur, persönlich kurz rein, um sich nach dem Wohlbefinden ihrer Gäste zu erkunden.
Zusammen mit ihrem Mann Coskun Costur haben sich die beiden vor fünf Jahren mit dem Hamam einen Traum erfüllt. Im Mai feiern sie das fünfjährige Bestehen. Für das Konzept und die Umsetzung bekam Coskun Costur sogar den Gründerpreis 2004 der Hamburger Handels- und Handwerkskammern. Auch die erholsame Wirkung seines kleinen Dampfbades hat sich mittlerweile in ganz Hamburg rumgesprochen, sodass die Familie Costur ein zweites, größeres Hamam an der Seewartenstraße in St. Pauli bauen musste. Hier können bis zu 30 oder 40 Personen gleichzeitig behandelt werden, sodass auch größere Gruppen das Angebot nutzen, besonders Sportler nach einem anstrengenden Wettkampf.
Trotz der Erweiterung sollte man ein paar Tage im Voraus planen, um einen Termin zu bekommen. Dies gilt besonders für den Frauentag am Montag. Auch ist der Besuch nicht ganz billig. Für einen dreistündigen Aufenthalt beginnen die Preise je nach Behandlungsvariante bei 39 Euro und Enden bei 180 Euro für einen ganzen Tag. Jedoch lohnt sich der Ausflug ins Hamam allemal. Denn tritt man hinterher wieder raus auf die lärmende Straße, lässt man zwar die Ruhezone des Hamam hinter sich, fühlt aber die eigene wieder umso stärker, und kann dem alltäglichen Stress zumindest für einige Zeit die Stirn bieten.