Wahrscheinlich ist er die viel zitierte Ausnahme der Regel: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist überzeugter Raucher und inszeniert seine Schwäche gar einmal wöchentlich, wenn er sich für das Magazin der Wochenzeitung DIE ZEIT während einer genussvollen Zigarette den Fragen des Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo stellt. Und trotzdem, der alte Herr scheint sich guter Gesundheit zu erfreuen. Dabei zeigt eine neue Studie der Universität Cambridge: Wer auf Nikotin verzichtet, hat mehr vom Leben.
Die Erkenntnis ist nicht unbedingt bahnbrechend, warnen doch Mediziner und Gesundheitsorganisationen seit langem vor den negativen Folgen des blauen Dunsts. Doch die Forscher aus Cambridge scheinen die Formel für ein längeres Leben gefunden zu haben. Wer sich im Alltag an die von den Wissenschaftlern aufgestellten vier grundlegenden Regeln hält, „gewinnt“ vierzehn Lebensjahre im Vergleich zu jemand, der sie konsequent missachtet. Und wie sind nun die goldenen Regeln für ein längeres Leben?
So schwierig scheint es gar nicht zu sein: Man sollte auf Zigaretten ebenso verzichten, wie auf das Glas Alkohol zu viel. Statt Schokoriegel und Auto, sollte das tägliche Motto „Bewegung plus Obst und Gemüse“ heißen. Insgesamt verfolgten die Wissenschaftler aus Cambridge die Lebens- und Essgewohnheiten von 20 244 Männern und Frauen zwischen 45 und 79 Jahren über elf Jahre lang. Dabei verstanden die Wissenschaftler unter einer optimalen Lebenshaltung zu allererst den totalen Verzicht auf Zigaretten. Auch wer wöchentlich weniger als vierzehn kleine Gläser Wein oder sieben Halbliterflaschen Bier trinkt, bekam von den Forschern Punkte. Zu einer vitaminreichen Ernährung gehörten für die Wissenschaftler täglich fünf Portionen Obst oder Gemüse, die im Blut zu einem Vitamen-C-Gehalt von über 50 mmol/l führen. Und als „Bewegung“ bezeichneten sie keineswegs den Gang zur Bushaltestellte, sondern mindestens – wenn man nicht gerade in einem bewegungsintensiven Beruf tätig ist – eine halbe Stunde tägliches Schwimmen, Radfahren oder Joggen. Alle Testpersonen erhielten pro eingehaltene „Lebensregel“ je einen Punkt und dabei kamen die Forscher zu einem interessanten Schluss.
Selbst wenn man sich an drei der vier Regeln hält, also beispielsweise als Raucher auf ausgewogene Ernährung, Sport und Alkoholverzicht achtet, erhöht sich der Faktor der Sterbewahrscheinlichkeit bereits um fast 1,39. Der Faktor verdoppelt sich fast, ignoriert man beständig zwei der vier Regeln. Die Sterbewahrscheinlichkeit steigt um das Zweieinhalbfache, wenn nur einer der Hinweise beachtet wird. Wer weder auf die Zigarette noch auf das Feierabendbier verzichten kann, wer auf den Vitamingehalt einer Gemüsepizza hofft und höchstens ab und zu dem Bus hinterher rennt, dessen Sterbewahrscheinlichkeit erhöht sich um das Vierfache im Vergleich zu einem Menschen, der alle Regeln beherzigt.
Während der Forschungsphase starben rund 840 Testpersonen an Krebs, fast 670 an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dabei – so beobachteten die Wissenschaftler – stieg die Sterberate deutlich bei jenen, die kaum oder gar keine der Regeln beachtet hatten. Alarmierend sind die von der Studie gelieferten Zahlen zum Thema „Nikotin“. Die Raucher unter den Testpersonen hatten eine um 80 Prozent höhere Sterbewahrscheinlichkeit als die Nichtraucher. Und auch mit einem Apfel am Tag ist es nicht getan: Bei den beobachteten Personen, dessen Vitamingehalt im Blut unter dem Grenzwert lag, stieg die Sterberate um das Doppelte.
Die Zahlen sprechen für sich, und was den leidenschaftlichen Raucher Helmut Schmidt angeht: Er hat schon so lange geraucht, dass man seinen Stoffwechsel nicht mehr umstellen sollte. Helmut Schmidt muss weiterrauchen – sozusagen aus gesundheitlichen Gründen.