Zahlreiche Organisationen haben ihre Stellungnahme bei der Arbeitsgruppe der Kommission vorgelegt, die sich mit einer Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch befasst, darunter mit der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V. und dem Bundesverband Lebensrecht (BVL) immerhin zwei Organisationen, die sich tatkräftig und uneingeschränkt für das Lebensrecht des ungeborenen Kindes einsetzen. Beide hatten nun Gelegenheit, im Rahmen der mündlichen Anhörung ihre Position vorzutragen.
Was sich bereits im Vorfeld anhand der Lektüre der schriftlichen Stellungnahmen anderer geladener Organisationen wie etwa des Deutschen Hebammenverbands oder des gen-ethischen Netzwerks herauskristallisiert hatte, wurde auch in der Anhörung deutlich: Um den Schutz des ungeborenen Kindes für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung der Schwangeren vollständig aufgeben zu können, wird das Narrativ der stigmatisierten und kriminalisierten Abtreibungsärzte und abtreibungswilligen Frauen bedient. Kriminalisierung setzt voraus, dass Ärzte und Frauen auf Grund durchgeführter Abtreibungen strafrechtlich verfolgt werden. Das schließt der § 218 StGB jedoch nahezu vollständig aus. Stigmatisierung setzt voraus, dass öffentlich falsch, diskriminierend und ehrabschneidend über eine Personengruppe berichtet wird. Dies trifft aber in Deutschland weder auf die abtreibungswillige Frau noch Abtreibungen durchführende Ärzte, sondern stattdessen auf diejenigen zu, die sich schützend vor das ungeborene Leben stellen und als „sogenannte Lebensschützer“ oder gar „Nazis“ abqualifiziert werden. Dass diese Personengruppe weiter ausgegrenzt und kriminalisiert werden soll, zeigt sich in Forderungen, wie sie unter anderem vom Zentralrat der Konfessionslosen in Deutschland erhoben werden: etwa eine strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die auf den letzten Metern vor einer Abtreibungsklinik noch versuchen, das Leben des ungeborenen Kindes zu retten, oder ein Berufs- und Tätigkeitsverbot für Ärzte und Krankenhäuser, die sich weigern, an Abtreibungen mitzuwirken.
Um Frauengesundheit geht es dabei nur vordergründig. Wer, wie vom Deutschen Hebammenverband gefordert, Abtreibungen in Zukunft auch von nicht-ärztlichem Personal durchführen lassen will, verschlechtert die Versorgung. Und auch um Ethik geht es nicht: Das gen-ethische Netzwerk etwa, das vorgibt, sich gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen einzusetzen, hat kein Problem damit, die vom Verfassungsgericht genutzte Bezeichnung „ungeborenes Kind“ als ideologischen Kampfbegriff zu bezeichnen und in der gezielten Tötung von Kindern mit Behinderungen vor ihrer Geburt nur insofern eine Diskriminierung zu sehen, als dass dies Folgen für die gesellschaftliche Haltung gegenüber bereits geborenen Menschen mit Behinderungen haben könnte. Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission, in der zahlreiche Juristinnen vertreten sind, die einschlägigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Lebensrecht des ungeborenen Kindes nicht nur kennt, sondern auch beherzigt.