Stadt der Zukunft
Wie werden wir in den "Städten der Zukunft" wohnen, leben und arbeiten? Welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkte spielen dabei eine Rolle? Wie kann die zunehmende Urbanisierung gesteuert werden, damit die "Stadt der Zukunft" auch gestaltbar bleibt? Mit diesen Fragen umriss Prof. Dieter Stolte, Kuratoriumsvorsitzender der Allianz Umweltstiftung, bei seiner Begrüßung das Thema der Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung 2011.
Etwa 350 Gäste waren dazu am 6. Mai in den Allianz Saal des Klosters Benedikbeuern nach Oberbayern gereist, wo die Allianz Umweltstiftung bereits zum 15. Mal zu ihrem jährlich stattfindenden Symposium in die alt-ehrwürdigen Klostermauern geladen hatte.
Balance finden
Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, forderte in seiner Einführung, das Modell "Stadt" fortzuschreiben und weiterzuentwickeln. Es gehe um eine nachhaltige Stadtentwicklung, die die Balance finde zwischen ökonomischem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung, zwischen baulicher Expansion und Bewahrung des historischen Erbes, zwischen gestiegenem Anspruch auf individuelle Mobilität und Grenzen des Verkehrs, zwischen den Generationen und den unterschiedlichen sozialen Gruppen.
Bürgerbeteiligung als Grundvoraussetzung
Als erster Referent erläuterte der Architekt und Stadtplaner Prof. Albert Speer seine Gedanken zu den aktuellen und künftigen Herausforderungen der Stadtplanung. Sein Büro ASP in Frankfurt/Main beschäftigt mehr als 120 Mitarbeiter, die Projekte in Ägypten, Aserbaidschan, China, Katar, Russland, der Türkei und auch Deutschland bearbeiten.
Speer sparte nicht mit Kritik an den Planungsprozessen in Deutschland. Planer wie Politiker gingen nicht intelligent genug mit Problemen und Chancen um. Grundproblem bei größeren Projekten sei vor allem die mangelhafte Organisation der planerischen und politischen Strukturen. Mit Blick auf Großprojekte wie Stuttgart 21 sah Speer Bürgerbeteiligung als eine Grundvoraussetzung und nicht als eine Ursache von Verzögerungen. Vielmehr müssten derartige Projekte gemeinsam mit den Menschen entwickelt werden.
Positiv-Beispiel Allianz Arena
Wie man auch komplexe Großprojekte rasch und unter Beteiligung der Bevölkerung umsetzen könne, zeige das Beispiel der Allianz Arena in München. In nur vier Jahren habe man hier Voruntersuchung, Stadtratsbeschluss, Bürgerentscheid, Planung und Bau durchgeführt. Allerdings sei dies nur wegen eines gewissen Zeitdrucks möglich gewesen – entstanden durch die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Diesen Umstand griff Speer auch in der abschließenden Diskussion auf: Demokratische Länder bräuchten zur Umsetzung von Großprojekten Vehikel wie Olympische Spiele o. ä., weil dadurch Termine gesetzt würden.
Nicht mitnehmen, sondern ernst nehmen
Auch für Freiburgs grünen Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon stellt Bürgerbeteiligung eine Grundvoraussetzung der Stadtentwicklung dar. Er fordert, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dabei wollten die Bürger nicht mitgenommen, sondern ernst genommen werden.
Als aktuelle Herausforderung für die europäische Stadtplanung sieht Salomon die Re-Urbanisierung, also das Zurück in die Städte. Es dürfe nicht wie in der Vergangenheit einer Ausuferung der Städte an den Rändern der Vorrang gegeben werden, vielmehr bräuchten unsere Städte "Kompaktheit und lebendige Zentren." Auf längere Sicht sei das große Zukunftsthema allerdings die mit dem demographischen Wandel einhergehende Schrumpfung der Städte. Der dadurch entstehende Städtewettbewerb werde sich laut Salomon an den drei "T´s" entscheiden: an Talenten, Toleranz und Technologie.
Radikales Praxisproblem
Etwas grundlegender setzte sich der Essener Soziologe und Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald Welzer mit Stadtplanung auseinander. Ein Hauptproblem unserer Zivilisation und damit auch von Planung, sieht er in der Schnelligkeit der Prozesse, die keine Gelegenheit mehr zur Reflexion zuließen. Auch der enorme Ressourcenverbrauch der "globalen Zivilisationsmaschine" sei ein großes Problem, das zu Lasten künftiger Generationen gehe. "Wir verbrauchen die Ressourcen der Jüngeren," so Welzer.
Dabei seinen alle möglichen Lösungen bekannt: "Wir haben kein Wissens- oder Informationsproblem, sondern ein radikales Praxisproblem", das letztendlich auch eine Frage der Lebensstile sei, so Welzer. Eine nachhaltige Entwicklung der Städte sei "nur durch tun und nicht durch reden" zu erreichen. Und er nannte einige anschauliche Beispiele. Etwa das so genannte "Urban Gardening", bei dem sich Bürger Brachflächen aneignen oder mobile Gärten errichteten, oder das Festival "Überlebenskunst" in Berlin, das sein Catering aus Berliner Schrebergärten organisiert.
Stadt der Zukunft bereits gebaut
Als Resümee der Diskussion zog Dr. Spandau den Schluss, dass sich die Stadt der Zukunft kaum von unseren heutigen unterscheiden wird. Auf jeden Fall sei die Stadt der Zukunft heute schon gebaut. Konzepte wie energetische Sanierung, energieoptimiertes Bauen im Bestand, Verhaltensänderungen etc. seien für die Stadt von heute zu entwerfen, damit sie für die Stadt von morgen gelten könnten. Und das Bild der Stadt Mitte des 21. Jahrhunderts könnte eine Hightech-Öko-Stadt mit fast dörflichen, verdichteten Wohnstrukturen und einer großen architektonischen und sozialen Vielfalt sein.
Abendliche Festveranstaltung
Offiziell begonnen hatten die Benediktbeurere Gespräche bereits am Donnerstag. Im Rahmen der traditionellen abendlichen Festveranstaltung zeigte der Filmemacher Jan Haft seinen mehrfach preisgekrönten Naturfilm "Das Kornfeld – Dschungel für einen Sommer". Die "Root Bootleg Band" aus der Region Murnau, begeisterte danach mit ihrer bayerisch-alpenländischen Interpretation des Rock`n Roll.