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Sintflut voraus?

(lifePR) (Berlin, )
"Vor uns die Sintflut - wie gehen wir mit den immer häufiger auftretenden Hochwasserereignissen um?" - Unter diesem Motto diskutierten Gerd Sonnleitner, Ehrenpräsident des Deutschen Bauernverbandes, Olaf Tschimpke, Präsident des NABU, Dr. Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg und Reinhard Vogt, Leiter der Hochwasserschutzzentrale Köln, unter der Leitung von Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, bei den 18. Benediktbeurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung über bestehende und zukünftige Herausforderungen beim Hochwasserschutz.

Hochwasser - natürliches Ereignis oder unberechenbare Gefahr?

"Eigentlich sind Hochwasser ganz normale Ereignisse und feste Bestandteile des natürlichen Abflussverhaltens unserer Flüsse," stellte Prof. Dieter Stolte, Kuratoriumsvorsitzender der Allianz Umweltstiftung, bei seiner Begrüßung mit Blick auf die großen Hochwasser der vergangenen Jahre fest. Die Natur habe sich an die Hochwasser angepasst. Zur unberechenbaren Gefahr und Katastrophe würden sie erst dann, wenn menschliche Werte beschädigt oder vernichtet würden - weil der Mensch nicht oder nur unzureichend vorgesorgt habe.

Wie mit den anscheinend immer häufiger auftretenden Hochwasserereignissen umgegangen werden kann, wurde anschließend bei den Benediktbeurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung diskutiert. Etwa 300 Gäste waren dazu am Freitag den 9. Mai in das alt-ehrwürdige Kloster Benediktbeuern nach Oberbayern gereist, wo die Stiftung im Allianz Saal zum 18. Mal zu ihrem jährlich stattfindenden Symposium geladen hatte.

Wasserreiches Deutschland

"Deutschland ist ein wasserreiches Land, eine Tatsache, die oft unterschätzt wird" sagte Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, bei seiner Einführung in das Symposium. Doch von den ehemals oft hunderte Meter breiten Flussläufen und großflächigen Sumpf- und Moorlandschaften existierten nur noch kleine Reste. Die Flüsse seien gezähmt, die Moore entwässert und kultiviert worden. Damit sei das früher fast allgegenwärtige Wasser nicht nur aus der Landschaft verschwunden, sondern auch aus dem Bewusstsein der Menschen.

"Aber das Wasser ist noch da. Und manchmal wird es sichtbar. So wie bei der Oderflut 1997, dem Elbehochwasser 2002, dem Alpenhochwasser 2005 oder dem Hochwasser an Donau und Elbe 2013." Und nach jedem Hochwasser stellten sich die gleichen Fragen nach Ursachen, Schutz und Vorsorge. Fragen, auf die man sich von den eingeladenen Referenten Antworten erhoffe.

Alles pur öko

Gerd Sonnleitner, Ehrenpräsident des Deutschen Bauernverbandes und von 1997 bis 2012 dessen Präsident, startete seine Ausführungen mit einem Rückblick auf historische Hochwasser: Bereits 1012,1051, 1342 oder 1501 sei Bayern von katastrophalen Hochwassern heimgesucht worden, zu einer Zeit also, in der weder Flüsse und Bäche verbaut noch nennenswert Flächen versiegelt gewesen waren, "alles pur öko" war, so Sonnleitner. Die gleichen Regenmengen von damals würden heute also zu noch wesentlich größeren Hochwassern führen.

Die immer größeren Hochwasserschäden erklärten sich laut Sonnleitner auch durch immer hochwertigere Nutzung hochwassergefährdeter Bereiche. So sei zum Beispiel das Erdgeschoss der Gebäude in der Passauer Altstadt früher meist durch Ställe genutzt gewesen, heute fänden sich dort schicke Läden mit teuren Auslagen.

Zu den oft geäußerten Vorwürfen, die Landwirtschaft verhindere die Ausweisung oder den Bau von Retentionsräumen bemerkte Sonnleitner, dass die Bauern gerne ihren Beitrag zur Lösung des Problems leisten wollten. Dazu sei aber ein entsprechender Lastenausgleich nötig, die Existenzsicherung für andere erfordere auch eine entsprechende Gegenleistung, sprich: Ausgleichszahlungen.

Kein Platz für das Wasser

Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), lenkte den Blick auf die Entstehung von Hochwassern: Um 90% seien die Auenflächen in Deutschland in den letzten Jahrhunderten zurückgegangen - mit dem Ergebnis, dass das Wasser immer schneller abflösse. "Wasser hat in der Landschaft kaum mehr Platz", so seine Diagnose. Deshalb sei die Schaffung neuer Retentionsräume eine der vordringlichsten Aufgaben des Hochwasserschutzes.

Schuldzuweisungen an den Naturschutz, er verhindere den Bau von Dämmen oder anderer Schutzeinrichtungen und sei so mitverantwortlich für Hochwasserschäden, hielt Tschimpke für ungerechtfertigt. Im Gegenteil: So seien zum Beispiel alle in den letzten Jahren an der Elbe erfolgten Deichrückverlegungen aus Mitteln des Naturschutzes finanziert worden! "Hochwasserschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe", schloss Tschimpke seine Ausführungen und forderte deshalb auch eine gemeinsame Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen.

Dramatischer Juni 2013

Dr. Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg, gab einen Einblick in die Geschehnisse des Hochwassers vom Juni 2013. Als Erkenntnis aus dem Elbhochwasser 2002 habe man sich auf einen Wasserstand von maximal 7,20 Meter eingestellt und Dämme sowie andere Schutzeinrichtungen auf diese Höhe ausgelegt. Entgegen der Vorhersagen sei dann aber ein Wasserstand von fast 7,50 Metern eingetreten! Fünf Tage hintereinander habe der Wasserstand über dem aus dem Jahr 2002 gelegen.

Auf einer Länge von insgesamt 60 Kilometern hätten Deiche verteidigt werden müssen, was nicht an allen Stellen gelungen sei und die Evakuierung mehrerer Tausend Einwohner notwendig gemacht habe. "Etwa 10.000 hauptamtliche und 30 - 40.000 ehrenamtliche Helfer waren im Einsatz. 2,5 Millionen Sandsäcke und 10.000 so genannte Bigpacks wurden eingesetzt," so Trümper. Allein die Kosten für Auf- und Abbau der Sandsäcke hätten 13 Millionen Euro betragen. Die gleiche Summe übrigens, die man nun für die Erhöhung der Hochwasserschutzanlagen im Hafen Rothensee benötige, wobei noch nicht geklärt sei, wer diese Mittel aufbringe.

Kampf der Hochwasser-Demenz

Als eine der wichtigsten Aufgabe im Hochwasserschutz benannte der Oberbürgermeister die Schaffung neuer Retentionsräume im Oberlauf der Elbe. Ebenso wichtig sei aber, der so genannten "Hochwasser-Demenz" entgegen zu wirken. Damit sei das langsame Vergessen großer Hochwasserereignisse gemeint - und damit die Bereitschaft der Bevölkerung, bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen zu akzeptieren. Auf maximal fünf Jahre schätzt Trümper das Zeitfenster für die Umsetzung entsprechender Projekte.

Vorsorge verhindert Schäden

Als "Mann aus der Praxis" erläuterte Reinhard Vogt, Leiter der Hochwasserschutzzentrale Köln, die Wirksamkeit der Hochwasservorsorge anhand konkreter Zahlen: 1993 habe das Hochwasser in Köln einen Höchststand von 10,63 Meter erreicht und Schäden in Höhe von 75 Millionen Euro verursacht. Beim Hochwasser 1995 sank die Schadenssumme auf 32 Millionen Euro, obwohl der Rheinpegel bei maximal 10,69 Metern gelegen habe. Vogts Schlussfolgerung: Anpassung und entsprechende Vorsorge verhinderten Schäden!

Mit dieser Zielrichtung habe man in den folgenden Jahren ein Konzept entwickelt, das - getreu dem Motto "Hochwasserschutz geht nur miteinander" - intensiv mit den Bürgern diskutiert worden sei. Zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen wie der Bau von Schutzmauern oder die Anschaffung mobiler Schutzwände seien inzwischen umgesetzt.

Keine Arche Noah nötig

Ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit sei laut Vogt, das Bewusstsein für die Hochwassergefahr in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, also der von Oberbürgermeister Trümper erwähnten "Hochwasser-Demenz" zu begegnen. So führe die Stadt Köln in den entsprechenden Stadtteilen regelmäßige Informationsveranstaltungen durch, stelle Broschüren zur Verfügung und werbe mit einem Infomobil sowie einem Sandsackkino für den Hochwasserschutz. Zusätzlich würden regelmäßig Hochwasserschutzübungen durchgeführt. Vogts Credo: "Wir brauchen keine Arche Noah, wir müssen üben, üben, üben!"

Und in Sachen Hochwasserschutz hatte Vogt noch einen Vorschlag: Je nach benachbarter Flächennutzung sollten unterschiedlich hohe Schutzstandards gelten. Bei landwirtschaftlichen Flächen genüge der Schutz gegenüber zweijährigem Hochwasser (also einem Hochwasser, das statistisch alle zwei Jahre auftritt), Krankenhäuser oder wichtige Versorgungseinrichtungen sollten gegen 500-jähriges Hochwasser gesichert werden.

"Die Praxis sieht derzeit allerdings anders aus", so Vogt: Entlang des Rheins gäbe es Tabakanbauflächen, die gegen ein 500-jährliches Hochwasser geschützt seien, die großflächigen Anlagen der Chemieindustrie in Ludwigshafen seien nur gegen ein 200-jährliches Hochwasser geschützt!

Eigentum verpflichtet

In der abschließenden Diskussion warb Sonnleitner nochmals um Verständnis für die Sicht der Landwirte, die als Flächeneigentümer gerne ihren Beitrag zum Hochwasserschutz leisten wollten, dafür aber Ausgleichsflächen oder entsprechende Entschädigungszahlungen als nötig erachteten. Tschimpke dagegen verwies auf den Grundsatz "Eigentum verpflichtet" sowie auf die umfangreichen Subventionen für die Landwirtschaft, die seiner Ansicht nach bereits ein Art "Entschädigung" darstellten. Insgesamt war man sich einig, dass beim Hochwasserschutz keine Pauschallösungen möglich sind. Vielmehr müsse für jeden Fluss bzw. Ort unter den gegebenen Bedingungen eine jeweils angepasste Lösung erfolgen.

NABU-Präsident Tschimpke forderte aber auch eine Änderung der Zuständigkeiten: Die Planung und vor allem Umsetzung größerer Hochwasserschutzmaßnahmen müsse von der kommunalen auf eine höhere, am besten länderübergreifende Ebene gehoben werden. Sonst würden wie bisher kommunale oder regionale Interessen einen wirksamen, übergreifenden Hochwasserschutz verhindern. Einen Beleg für diese These lieferte der Kölner Vogt. Nach seinen Worten könnten die rheinaufwärtsgelegenen Bundesländer zu einer Senkung der Hochwasserspitzen in Köln um 40 Zentimeter beitragen - wenn dort entsprechende Retentionsräume geschaffen würden.

Interessensabwägung nötig

"Wir haben gelernt, dass es Illusion ist zu glauben, durch Entsiegelung, Flussrückbau und Auenrenaturierung oder gar Einschränkung der Landwirtschaft könnten künftige, den Hochwassern von 2002 oder 2013 nahe kommende Katastrophen verhindert werden", fasste Dr. Spandau abschließend die Diskussion zusammen.

Dabei müsse allen klar sein, dass auch bei Ausschöpfung sämtlicher Potentiale Hochwasser entstehen könnten und Schäden niemals gänzlich zu vermeiden seien. Man sollte aber besser auf zukünftige Hochwasser vorbereitet sein, die Warnsysteme optimieren und die Menschen immer wieder an die Gefahr erinnern. Die dabei zwangsläufig auftretenden, verschiedenen Interessen der Land- und Forstwirtschaft, des Naturschutzes, des Hochwasserschutzes sowie der Menschen vor Ort müssten dabei abgestimmt und gegeneinander abgewogen werden.

Abendliche Festveranstaltung

Offiziell begonnen hatten die Benediktbeurer Gespräche bereits am Donnerstag. Im Rahmen der traditionellen abendlichen Festveranstaltung hatte der Diplom-Meteorologe und ARD-Wettermoderator Sven Plöger den Einfluss des Menschen auf das Klima eingeordnet. "Zwischen Dürre und Hochwasser - wie groß ist der menschliche Einfluss auf das Klima?" lautete der Titel seines Vortrags der unter anderem zeigte, welche Bedeutung insbesondere die nordatlantische Oszillation auf Starkregenereignisse und unser Wettergeschehen insgesamt hat. Für den musikalischen Abschluss sorgte das Musikkabarett "Suchtpotential" von und mit Julia Gámez Martin und Ariane T. Müller.

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