In dem zugrunde liegenden Fall war eine Skifahrerin eine Piste hinab in eine Senke gefahren, in der mehrere Abfahrten zusammenkamen und von der aus drei Lifte nach oben führten. Die Dame steuerte aus der Fahrt heraus mit einem Linksschwung die auf der linken Seite gelegene, erste Liftstation an, als ein junger Skifahrer, von hinten kommend, in voller "Schussfahrt" ihr in die Seite rauschte. Der 12-Jährige wollte die geradeaus gelegene zweite Liftstation erreichen. Ohne hohes Tempo, hätte er es nicht bis zur Station geschafft und hätte sich dafür das letzte Stück vorwärts schieben müssen. Während der Junge unverletzt blieb, brach sich die Frau das linke Schlüsselbein. Später forderte sie von dem Heißsporn Schadensersatz und Schmerzensgeld, doch der war der Ansicht, dass die Frau selbst an dem Unfall schuld gewesen sei. Schließlich sei sie abrupt und für ihn unvorhersehbar quer nach links abgebogen, ohne sich vorher umzuschauen, so der Bursche. Der Fall landete vor Gericht.
Das LG Ravensburg gab der Skifahrerin Recht (Az.: 2 O 392/06). Die Frau könne die Erstattung ihres Schadens und die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangen, so das Gericht. Der 12-Jährige habe gegen die für Ski- und Snowboardfahrer verbindlichen FIS-Regeln Nr. 3 und 4 des Internationalen Skiverbandes verstoßen und dadurch einen Unfall verursacht, bei dem die Dame verletzt worden sei. Die Regel Nr. 3 gewähre dem unteren Fahrer uneingeschränkten Vorrang gegenüber dem von hinten (oben) kommenden. Der von hinten kommende Fahrer müsse grundsätzlich damit rechnen, dass ein vorausfahrender Sportler jedes theoretisch mögliche Ziel - auch abrupt und quer zum Hang - ansteuern könne. Das habe der Junge mit seiner "Schussfahrt" ignoriert, so die Richter. Sein Eigeninteresse, mit ausreichend Tempo die Liftstation zu erreichen, könne sein Fehlverhalten nicht rechtfertigen. Ferner habe der Bursche beim Überholen nicht den gemäß Nr. 4 geforderten Sicherheitsabstand eingehalten. Denn auch, wenn beide verschiedene Ziele ansteuerten, habe es sich um ein Überholmanöver gehandelt, so das Gericht. Da die Frau sich unter Ausnutzung der Schwerkraft hangabwärts bewegt und nicht gestanden habe, sei sie nicht zur Rücksichtnahme gegenüber nachfolgenden Skifahrern verpflichtet gewesen.