Fakten zum Hören
Wie viele Gehörlose in Deutschland leben, ist laut ARAG Experten schwer zu bestimmen, denn es gibt keine offizielle Statistik, die alle Personen mit einer Hörbehinderung und Gehörlose erfasst. Der Deutsche Gehörlosen-Bund e. V. geht beispielsweise von etwa 80.000 gehörlosen Menschen und 16 Millionen Schwerhörigen aus. Davon sind rund 140.000 Menschen auf Gebärdensprachen-Dolmetscher angewiesen. Bei ca. 15 Prozent der Gehörlosen ist die Gehörlosigkeit ererbt, bei allen übrigen hat sich die Gehörlosigkeit im Laufe des Lebens eingestellt, beispielsweise nach Virus-Infektionen, chronischen Mittelohr- oder Gehirnhautentzündungen oder auch durch bestimmte Medikamente. Oft bleibt die Ursache allerdings unbekannt. Laut Statistischem Bundesamt litten 2019 knapp 190.000 Menschen unter Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen und knapp 30.000 Patienten waren aufgrund von Taubheit als schwerbehindert anerkannt. Dabei liegt die Dunkelziffer wahrscheinlich deutlich höher, da keine Meldepflicht bei Schwerbehinderungen besteht. Zudem ist Hörverlust meist ein schleichender Prozess, der in der Regel ab einem Alter von etwa 50 beginnt. Da aber die Hörvorsorge bei Erwachsenen jedem selbst überlassen ist, bleibt Schwerhörigkeit oft unerkannt und unversorgt. Erschreckend dabei: Knapp ein Viertel aller über 50-Jährigen hat noch nie einen Hörtest gemacht und bei über 20 Prozent liegt er mehr als fünf Jahre zurück.
Folgen einer Hörminderung
Bleiben Hörverluste oder -minderungen unversorgt, besteht für Betroffene nach Auskunft der ARAG Experten eine erhöhte Gefahr, zu erkranken. So steigt beispielsweise das Depressionsrisiko insbesondere bei Männern um über 40 Prozent und das Risiko, durch eine unversorgte Hörminderung an Demenz zu erkranken, steigt um über 20 Prozent.
Laut einer Studie hat eine verminderte Hörfähigkeit zudem negative Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und die Karriere, weil Menschen mit einer unversorgten Schwerhörigkeit eher in Berufen mit niedrigerem Anforderungsprofil oder in Teilzeit arbeiten oder Frührente beziehen – für Betroffene manchmal ein Grund, sich sozial zu isolieren.
Interessante Urteile zum Thema:
Kommune muss Gebärdendolmetscher bezahlen
Eine 17-jährige fast gehörlose Schülerin konnte dem Unterricht an der Förderschule für Hörgeschädigte nur schwer folgen. Der Grund: Die meisten Lehrer beherrschten keine Gebärdensprache und unterrichteten daher in normaler Lautsprache, die die Hörgeschädigte naturgemäß kaum verstand. Als sie vom Landkreis die Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher forderte, lehnte dieser mit der Begründung ab, dass die Schule dafür zuständig sei. Doch die Richter waren laut ARAG Experten anderer Ansicht und forderten den Sozialhilfeträger auf, die für eine angemessene Schulbildung erforderlichen Hilfen zu erbringen. Allerdings stand es dem Träger frei, Erstattungsansprüche gegen den Schulträger geltend zu machen (Sächsisches Landessozialgericht, Az.: L 8 SO 123/17 B ER).
Eltern bestimmen über Hörsystem-Implantat bei ihrem Kind
Die beiden gehörlosen Eltern weigerten sich, ihrem ebenfalls hörbehinderten Kind ein sogenanntes Cochlea-Implantat einsetzen zu lassen, mit dem der Hörnerv des Kindes elektrisch stimuliert wird. Sie wollten ein Hörgerät für ihr Kind. Ihre Weigerung führte allerdings zu einem Sorgerechtsverfahren, das das Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung einleitete. Den Eltern drohte nach Angaben der ARAG Experten sogar der Entzug der Gesundheitsfürsorge und des Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind. Während die Eltern das Operationsrisiko der Vollnarkose fürchteten und der Auffassung waren, die Gefahr einer Hirn- und Nervenschädigung sei zu hoch, stellte das Jugendamt klar, dass das Kind ohne das Hörsystem-Implantat im sozialen und späteren beruflichen Leben nachhaltig schwerwiegend geschädigt werden könnte. Doch die Richter erkannten keine Kindeswohlgefährdung, sondern sahen vielmehr die Grundrechte der Eltern angegriffen, denen die primäre Entscheidung über die Förderung ihres Kindes zusteht (Amtsgericht Goslar, Az.: 12 F 226/17 SO).
Gebärdensprachkurs auf Kosten der Krankenkasse
ARAG Experten weisen darauf hin, dass Patienten, die an einer nicht heilbaren Hörstörung leiden, die Kosten für einen Gebärdensprachkurs von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erstattet bekommen können. In einem konkreten Fall wollte ein Mann, der laut ärztlicher Bescheinigung taub werden würde, bereits frühzeitig einen entsprechenden Kurs besuchen, um die Gebärdensprache bereits zu beherrschen, wenn die Taubheit eingetreten ist. Doch die Kasse verweigerte eine Kostenübernahme, weil ein Gebärdensprachkurs nicht zum Leistungskatalog gesetzlicher Kassen gehöre. Die Richter sahen das allerdings anders. Ihrer Ansicht nach war der Gebärdensprachkurs als Krankenbehandlung einzustufen und musste daher von der Krankenkasse bezahlt werden (Sozialgericht Koblenz, Az.: S 14 KR 760/14).
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