Wann haften Eltern für kleine Kinder?
Auch wenn das altbekannte Baustellenschild dies unterstellt: Dass Eltern immer für die Taten ihrer Kinder haften, stimmt so pauschal nicht. Für Schäden auf der Baustelle müssen Eltern vielmehr nur dann einstehen, wenn sie ihre gesetzlich bestehende Aufsichtspflicht über ihre minderjährigen Sprösslinge verletzt haben. Ob das der Fall ist, hängt immer von der konkreten Situation, vom Alter des Kindes und von dessen Charakter ab. Dementsprechend unterschiedlich wird diese Frage auch von den Gerichten beantwortet. So muss z.B. laut einem Grundsatzurteil des BGH ein 5 ½-jähriges, normal entwickeltes Kind nicht auf Schritt und Tritt beaufsichtigt werden, wenn es im Freien spielt. Es reicht aus, wenn das Kind in regelmäßigen Abständen von 15 bis 30 Minuten kontrolliert wird (Urteil vom 24.3.2009, Az.: VI ZR 51/08). Bei einem 4-jährigen Kind sieht es dagegen noch anders aus: Hier verlangt die Aufsichtspflicht, dass die Eltern in kurzen Zeitabständen nach ihrem Kind schauen (so u.a. der BGH mit Urteil vom 19.11.1963, VI ZR 96/63). Generell gilt also, dass jüngere Kinder höhere Anforderungen an die Aufsicht setzen, weil ihnen die Gefahren noch nicht geläufig sind und ihr Verhalten weniger berechenbar ist. Da kann der Wunsch, einmal auf einem echten Bagger zu sitzen, dann doch größer sein als das Bewusstsein für die Gefahren einer Baustelle! Eltern von Kleinkindern, die in der Nachbarschaft eine Baustelle haben, sollten deshalb in regelmäßigen Abständen nach diesen schauen, wenn die draußen spielen. Und in die unmittelbare Nähe der Baustelle sollten die Sprösslinge nicht unbeaufsichtigt gelassen werden, raten die ARAG Experten. Ganz wichtig ist es auch, schon die Kleinsten eindringlich auf die Gefahren einer Baustelle hinzuweisen.
Aufsichtspflicht bei älteren Kindern
Größere Kinder verlangen dagegen weniger Aufsicht durch die Eltern. Klettern sie über den Bauzaun, setzen eine Maschine in Gang und verursachen dadurch einen Schaden, können sie unter Umständen sogar selbst in der Haftung sein. Denn ab dem siebten Lebensjahr sind Kinder nach dem Gesetz grundsätzlich deliktsfähig, wenn sie die notwendige Einsichtsfähigkeit haben. Sie haften dann selbst für von ihnen verursachte Schäden. So ging es z.B. drei Zehnjährigen, die auf einer Baustelle mit einem Taschenmesser einen Radlader gestartet und diesen dann in einen Teich gefahren hatten. Weil nicht zu ermitteln war, wer von ihnen der Übeltäter war, verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz alle drei gemeinsam zur Zahlung von Schadensersatz. Laut Gericht könne auch bei Zehnjährigen das Wissen unterstellt werden, dass es verboten und gefährlich sei, ohne jede Fahrausbildung mit einem fremden Radlader zu fahren (Az. 10 U 998/02). Anders sieht es dagegen aus, wenn einem größeren Kind noch die notwendige Einsichtsfähigkeit fehlt. In diesem Fall sind wiederum die Eltern in der Haftung, wenn sie ihr Kind nicht entsprechend beaufsichtigt bzw. über die Risiken einer Baustelle aufgeklärt haben.
Mitschuld der Baustellenbetreiber?
Aber auch den Betreiber der Baustelle kann eine Mitschuld treffen, wenn es auf dem Baustellengelände durch spielende Kinder zum Unfall oder zu Schäden kommt. Er ist nämlich verpflichtet, den Baustellenbereich so abzusichern, dass davon keine Gefahr für andere Personen ausgehen kann. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt das vor allem in Bezug auf Kinder. Bei ihnen sei aufgrund ihrer Unerfahrenheit und ihres Erforschungsdrangs in besonderem Maße damit zu rechnen, dass sie sich unbefugt der Gefahrenquelle "Baustelle" nähern, so die Richter im Fall eines Kindes, das auf einer Baustelle in einen gerade fertig gewordenen, aber nicht umzäunten Löschwasserteich gefallen war (Az.: VI ZR 270/95). Der Betreiber muss daher durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass die Baustelle und die darauf befindlichen Geräte und Maschinen vor kleinen Entdeckern sicher sind. Einfach ein "Betreten verboten"-Schild an den Bauzaun zu hängen, reicht da nicht aus!
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