Ein Todesfall - mehrere Erbrechtsordnungen
Derzeit richtet sich die Frage, welches nationale Erbrecht bei einem Todesfall mit Auslandsbezug anzuwenden ist, noch nach den sogenannten Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts (IPR). Das Problem dabei: Sie sehen in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ganz unterschiedlich aus. So stellen deutsche Nachlassgerichte in Erbfällen zum Beispiel auf die Staatsangehörigkeit ab. Der Deutsche, der im Ausland lebt, wird für sie also selbst dann noch nach deutschem Recht beerbt, wenn er schon vor zehn Jahren ausgewandert ist. In anderen Ländern ist stattdessen für das gesamte Erbe der letzte Wohnsitz des Erblassers entscheidend. Wiederum andere - wie z.B. Frankreich - stellen für Immobilien auf das Recht des Ortes ab, wo diese sich befinden, für bewegliches Vermögen richtet sich das Erbrecht dagegen nach der Staatsangehörigkeit. Konkret bedeutet das: Wegen der national verschiedenen Kollisionsnormen finden mitunter in einem Erbfall mehrere Erbrechtsordnungen Anwendung - und das auch noch mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Ab August 2015 kommt es auf gewöhnlichen Aufenthalt an
Um solch komplizierte Fälle in Zukunft zu vermeiden, hat die EU im Jahr 2012 eine Erbrechtsverordnung (Nr. 650/2012) verabschiedet. Nach ihr "unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat". Diese Regelung gilt für alle Erbfälle, die vom 17. August 2015 an eintreten.
Ab wann gilt ein Aufenthalt im Ausland als "gewöhnlich"?
Findet das ausländische Erbrecht schon dann Anwendung, wenn der jobbedingte Auslandsaufenthalt nur auf ein Jahr angelegt ist? Und wie sieht es mit denjenigen aus, die regelmäßig zwischen zwei Ländern pendeln? Die Vorschrift selbst sagt dazu nichts. Anhaltspunkte ergeben sich nur aus der einleitenden Begründung zur Verordnung. Dort heißt es, das zuständige Gericht solle die Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes beurteilen. Dabei sollten vor allem die Dauer und die Regelmäßigkeit des Auslandsaufenthalts und die Gründe für diesen Berücksichtigung finden. Wer sich aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen in einem anderen Staat aufhalte, aber noch eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat habe, der könne seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" unter Umständen immer noch dort haben. Wie die Vorschrift im Einzelfall auszulegen ist, wird also die Rechtsprechung zeigen müssen.
Im Testament das Erbrecht bestimmen
Kommt im Todesfall fremdes Erbrecht zur Anwendung, kann dies mitunter zu unliebsamen Überraschungen für die Angehörigen führen. So ist etwa das im deutschen Erbrecht geltende Pflichtteilsrecht einigen anderen Erbrechtsordnungen unbekannt. Auch die Beteiligung des Ehegatten am Erbe kann anders oder gar nicht geregelt sein. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, sollte daher festlegen, dass im Todesfall das Recht des Staates gelten soll, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dieses Wahlrecht sieht die Verordnung ausdrücklich vor. Besitzt der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten, kann er das Recht eines dieser Staaten wählen. Ganz wichtig: Die Rechtswahl muss laut Verordnung zwingend in Testamentsform erfolgen! ARAG Experten empfehlen deshalb, sich bei einem Notar rechtzeitig vor Inkrafttreten der Verordnung beraten zu lassen und gegebenenfalls ein Testament zu errichten, in dem deutsches Erbrecht gewählt wird. Da die Verordnung auf alle Testamente, die vor dem 17. August 2015 errichtet wurden, Anwendung findet, sollten auch schon bestehende Testamente, sofern ein Auslandsbezug besteht, von einem Notar überprüft werden.
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