Esoterikmessen: Das Geschäft mit der Leichtgläubigkeit
Seit Jahren boomen Esoterikmessen. In fast jeder Stadt können Interessierte hier ihre Neugier auf das Unbekannte und Geheimnisvolle stillen – und gleich das ein oder andere Utensil zum Betreten und Erkunden einer verborgenen Welt mitnehmen. Diese Messen sind nämlich allesamt Verkaufsveranstaltungen für das breite Publikum, nicht etwa Informationsveranstaltungen für Suchende. Wer wirklich sucht, findet aber auch auf den Esoterikmessen und zwar alles von A wie Aurafotografie bis Z wie Zukunftssicht.
Ein Quantenheiler heilt dort Totgesagte – sogar via DVD für den Spottpreis von 49,99 Euro. Soviel kostet die DVD, die den selbsternannten Gesundheits-Propheten 45 Minuten in Aktion zeigt. Einen Tisch weiter vermittelt eine Dame Gespräche mit Engeln. Natürlich sind diese exklusiven Plaudereien auch nicht ganz umsonst. Eine kurze Frage von einem einfachen Lichtwesen beantworten zu lassen, ist dabei verhältnismäßig günstig; ein ausgedehnter Kaffeeklatsch mit einem Erzengel geht hingegen richtig ins Geld. Die Anbieterin fungiert dabei jeweils als Übersetzerin und Übermittlerin der himmlischen Nachrichten.
An den Nachbarständen bieten Kartenleger, Wünschelrutengänger, Feng-Shui-Experten und Edelstein-Therapeuten ihre kostspieligen Dienste feil. Ein gerüttelt Maß an Misstrauen sollten Besucher von Esoterikmessen allerdings walten lassen, meinen ARAG Experten. Viel zu schnell sind Leichtgläubige bereit, für Nichts eine ganze Menge zu bezahlen. Der Journalist Bernd Kramer hat zum Beispiel Besuchern einer Esoterikmesse mit einem Rückenkratzer durchs Haar gestrichen und behauptet, er würde sie mit diesem „Karma-Kamm“ von negativen Energien befreien. In seinem Buch „Erleuchtung gefällig?“ schreibt er, die Leute hätten ihm auch dafür Geld gezahlt.
Übersinnliches Fernsehen
Auch im Fernsehen werden Bücher, Kristalle, Räucherwerk, Blicke in die Zukunft und vor allem gute Ratschläge angeboten. Letztere stammen nach Auskunft der selbsternannten Lebensberater – die allesamt natürlich über keine psychologische oder pädagogische Ausbildung verfügen – von Verstorbenen, Engeln und Lichtwesen. Ihr Geld macht die Branche hauptsächlich mit „Telefonberatungen“. Drei Euro und mehr pro Minute sind nichts Ungewöhnliches. Das Unternehmen Adviqo ist Marktführer bei der Lebensberatung. Im Finanzjahr 2014/15 machte es 50 Millionen Euro Umsatz. Eine der elf Marken von Adviqo ist der wohl bekannteste Esoterik-Sender Astro TV. Erstaunlich, wen man da alles anrufen und um Rat fragen kann: Manuel ist laut Senderauskunft ein hellsichtiger Kartenleger, der die inneren Blockaden der Anrufer zum Einsturz bringt. Birgit ist Top-Männer-Expertin und betreibt Krisenauflösung und versteht sich sogar auf direkte Geldfluss-Aktivierung. Letztere kommt laut ARAG Experten aber höchstwahrscheinlich nur dem eigenen Geldbeutel zugute. Laut eigenen Angaben sind bislang mehr als 1,25 Millionen Anrufer durchgestellt worden. Allesamt um eine Erfahrung reicher und um einige Euro leichter. Der Sender muss sich an die Gewinnspielsatzung halten, nach der es bestimmte Auflagen gibt. Weil er mehrfach dagegen verstieß, wurde er 2016 gerügt, wissen ARAG Experten.
Esoterik und die Rechtsprechung
Natürlich ist es nicht verboten, an Lichtwesen, Geister, Engel und ihre Medien zu glauben. Und auch Regenmacher, Hellseher, Astrologen und Geistheiler dürfen in der Regel ihrem einträglichen Geschäft nachgehen. Aber hierfür gibt es Regeln, die eingehalten werden müssen, und Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. So darf jeder für seine privaten Entscheidungen die Karten, I-Ging-Orakel oder Pendel befragen.
Im öffentlichen Leben sieht es damit jedoch anders aus: Ist zum Beispiel das Wohl von Kindern in einer Kindertageseinrichtung durch außergewöhnliche Erziehungspraktiken gefährdet, weil beispielsweise erzieherische Fragen ausgependelt werden oder mittels „besprochener Salze“ versucht wird, Einfluss auf die Befindlichkeit der Kinder zu nehmen, ist der Widerruf der erteilten Betriebserlaubnis rechtens. Dies hat das Verwaltungsgericht Kassel entschieden (Az.: 5 K 484/10.KS).
Oft versprechen „ganzheitliche Heiler“ und Schamanen auch die besonderen Wirkungen ihrer Rituale und diverser Mittelchen. Fest steht jedoch, dass weder Ärzte noch Heilpraktiker oder so genannte Heiler ein Heilversprechen abgeben dürfen. Dies verstößt gegen das Werberecht! Dazu gehört auch die Ausschmückung der Werbung für Heilkristalle, Kräutersalben und vieles mehr mit ärztlichen Gutachten und Empfehlungen. Eine solche Art der Anpreisung verstößt in der Regel gegen das Heilmittel-Werbegesetzes (HWG) oder das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). In der Werbung für ein obskures Produkt wurde beispielsweise ein „Naturheil-Mediziner“ herangezogen, der dem Mittel die besten Ergebnisse attestierte – wettbewerbswidrig, entschied das LG Duisburg (Az.: 22 O 51/10).
Trotz vieler Regeln, an die sich auch Schamanen, Heiler, Hellsehen und Kartenleger halten müssen, raten ARAG Experten trotzdem zu einer gewissen Vorsicht gegenüber allzu unwahrscheinlichen und wohlklingenden Versprechen der Esoterik-Branche – besonders, wenn diese an kostenpflichtige Leistungen gebunden sind.
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