Mindestlohn bei Krankheit und an Feiertagen
So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich, dass Arbeitnehmer auch bei Krankheit und an Feiertagen Anspruch auf den für sie geltenden Mindestlohn haben. In dem konkreten Fall arbeitete die Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin bei einer Firma, die von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbot. Auf ihr Arbeitsverhältnis war der „Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal“ (TV-Mindestlohn) in der damals geltenden Fassung anzuwenden. Danach hatte die Klägerin Anspruch auf einen Mindeststundenlohn von 12,60 Euro brutto. Diese Vergütung zahlte die beklagte Arbeitgeberin aber nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Urlaubstage. Feiertage, Krankheitstage und Ansprüche auf Urlaubsabgeltung vergütete sie nur mit dem geringeren vertraglichen Stundenlohn. Das akzeptierte die Klägerin nicht und verlangte vor Gericht eine Nachzahlung in Höhe von rund 1.030 Euro. Das BAG gab ihr nun Recht: Nach dem im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) normierten Entgeltausfallprinzip müsse der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die wegen eines gesetzlichen Feiertages oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Entgelt zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Was die Höhe einer Urlaubsabgeltung angeht, so bemesse sich dieses ebenso wie das Urlaubsentgelt laut Bundesurlaubsgesetz (BurlG) nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen. Beide Regelungen sind nach Meinung der Erfurter Richter auch dann anzuwenden, wenn sich das Entgelt nach einer Mindestlohnregelung richtet und diese – wie hier – weder Entgeltfortzahlung noch Urlaubsentgelt bestimmt (Urteil vom 13. Mai 2015, Az.: 10 AZR 191/14). ARAG Experten weisen darauf hin, dass das BAG diese Aussage nicht im Hinblick auf das neue Mindestlohngesetz, sondern auf einen tarifvertraglich festgelegten Mindestlohn getroffen hat. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass das Urteil Präzedenzwirkung für vergleichbare Fälle nach dem Mindestlohngesetz haben wird.
Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung
Weder ein zusätzliches Urlaubsgeld noch eine jährliche Sonderzahlung dürfen auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Änderungskündigung, mit der eine solche Anrechnung erreicht werden soll, ist unwirksam. Das geht aus einem – allerdings noch nicht rechtskräftigen – Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin hervor. Im entschiedenen Fall zahlte die beklagte Arbeitgeberin eine Grundvergütung von 6,44 Euro pro Stunde zuzüglich einer Leistungszulage und Schichtzuschlägen. Darüber hinaus erhielt die Klägerin ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine Jahressonderzahlung, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtete. Die Arbeitgeberin kündigte nun das Arbeitsverhältnis, verbunden mit dem Angebot, den Vertrag mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro bei Wegfall der Leistungszulage, des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin war erfolgreich. Denn laut ArbG dient der Mindestlohn dem Zweck, unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu entlohnen. Leistungen, die – wie beim Urlaubsgeld und der Jahressonderzahlung der Fall – nicht diesem Zweck dienten, dürfe der Arbeitgeber nicht auf dem Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei deshalb unwirksam (Urteil vom 4. März 2015, Az.: 54 Ca 14420/14).
Wegen Geltendmachung von Mindestlohn darf nicht gekündigt werden
In einem weiteren vom ArbG Berlin entschiedenen Fall ging es um die Wirksamkeit einer Kündigung, mit der ein Arbeitgeber auf die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs reagierte. Geklagt hatte ein Hausmeister in einem Kleinstbetrieb, der laut Vertrag einen Stundenlohn von 5,19 Euro erhielt. Als er von seinem Chef den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro forderte, bot dieser an, einen Stundenlohn von 10,15 Euro zu zahlen, zugleich aber die monatliche Stundenzahl von 56 auf 32 zu reduzieren. Das lehnte der Kläger ab. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das seit sechs Jahren bestehende Arbeitsverhältnis. Die Kündigung hatte vor dem ArbG keinen Bestand: Zwar benötigte der Arbeitgeber wegen der geringen Beschäftigtenzahl keinen besonderen Kündigungsgrund. Es handele sich bei der Kündigung jedoch um eine nach § 612 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verbotene Maßregelung, entschied das Gericht. Die Vorschrift verbietet dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme gerade deshalb zu benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der Arbeitgeber habe hier das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Arbeitnehmer den ihm zustehenden gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe. Eine Kündigung aus diesem Grund sei unwirksam (Urteil vom 17. April 2015, Az.: 28 Ca 2405/15).