Otto von Bismarck entkräftete 1875 den Einfluss der Geistlichkeit auf den Staat und führte die Zivilehe vor der kirchlichen bindend ein. Somit war es Priestern verboten, vor einer standesamtlichen Eheschließung eine Hochzeit in der Kirche zu zelebrieren. Dieses Verbot hatte der Gesetzgeber nach 133 Jahren ohne viel Aufsehen gekippt. Heute können sich Paare auch dann kirchlich trauen lassen, wenn sie vorher nicht auf dem Standesamt waren. Die Ehe nach Kirchenrecht und die bürgerliche Ehe stehen vollkommen eigenständig nebeneinander. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die rechtliche Situation der Eheleute.
Ehe oder nichteheliche Gemeinschaft
Paare, die ausschließlich kirchlich, nicht aber zivilrechtlich geheiratet haben, befinden sich in einer Ehe, die nach staatlichem Recht als nichteheliche Gemeinschaft eingestuft wird. Eheleute im bürgerrechtlichen Sinne sind somit nur solche Paare, die vor dem Standesamt getraut wurden.
Nur-Kirchenehe
ARAG Experten befürchten, dass das Modell einer ausschließlich kirchlich geschlossenen Ehe unter Umständen auch aus zweifelhaften Beweggründen gewählt werden könnte. Zum Beispiel, um das Risiko eines Scheiterns der Ehe vermögensrechtlich auf den schwächeren Partner abzuwälzen. Denn Schutzbestimmungen für den Schwächeren im Falle einer Ehescheidung gibt es bei der Nur-Kirchenehe genauso wenig wie Unterhalt oder einen Zugewinnausgleich. Ist die Versorgungsgemeinschaft erst einmal zerbrochen, kann es durchaus passieren, dass ein Partner mit leeren Händen dasteht.
Standesamt lohnt sich
Die zivilrechtlich bekundete Ehe hat aber nicht nur im Falle eines Scheiterns Vorteile. Auch während der Ehe genießen beide Partner verschiedene Privilegien. Dazu gehört neben dem Steuerfreibetrag auch das Ehegattensplitting. Besuchsrechte im Krankenhaus können dem Ehepartner genauso wenig verwehrt werden wie die Entscheidungsgewalt bei einer anstehenden Organspende oder der Totensorge. Nach Auskunft der ARAG Experten bleibt Paaren, die auf den Gang zum Standesamt verzichtet haben, all dies verwehrt. Mehr noch: Im Todesfall wird ein lediglich kirchlich angetrauter Ehegatte erbrechtlich behandelt wie ein Fremder. Wird der hinterbliebene Partner testamentarisch bedacht, zahlt er oder sie hohe Erbschaftssteuersätze; gibt es kein Testament, bekommt der trauernde Partner unter Umständen nichts. Auch hinsichtlich einer Witwenrente wird die oder der lediglich kirchlich Angetraute vermutlich leer ausgehen. Ebenso können die Kinder betroffen sein. Während ein zum Zeitpunkt der Geburt standesamtlich mit der Mutter verheirateter Mann gesetzlich als Vater gilt, muss der lediglich kirchlich Verheiratete die Vaterschaft ausdrücklich anerkennen.