Der Sonderpreis für das Gesamtwerk ging an den 1939 in Leipzig geborenen Illustrator Volker Pfüller. „Sein zeichnerisch versierter Stil und seine sichere Technik haben unverkennbare Spuren in der zeitgenössischen kinder- und jugendliterarischen Illustration hinterlassen“, so die Sonderpreisjury. „Ob Linolschnitt, Federzeichnung, koloriertes Aquarell oder farbige Offsetlithografie – Volker Pfüllers Illustrationen warten durchweg mit klarem, lebhaftem Strich, raffiniertem Bildaufbau und charakterstarker Figurenzeichnung auf. Während seine Bilder zuweilen an Otto Dix und George Grosz erinnern, haben umgekehrt sein moderner Zeichenstil und seine Illustrationskunst andere geschult und inspiriert.“
Der Auszeichnung für das Lebenswerk steht der Sonderpreis „Neue Talente“ gegenüber. Hier ist die Gewinnerin Iris Anemone Paul, die mit ihrem Bilderbuch Polka für Igor (kunstanstifter) gleich doppelt ausgezeichnet wurde. Denn von ihrer Erzählkunst in Text und Bild zeigte sich auch die Kritikerjury überzeugt und prämierte das Debüt als bestes Bilderbuch. Mit großer Lust am Fabulieren erzählt die Autorin und Illustratorin die (Lügen-)Geschichten eines alten Zirkushundes und setzt diese mit wirkungsstarken Siebdrucken in Szene.
In der Kategorie Kinderbuch konnte sich Vier Wünsche ans Universum (dtv Reihe Hanser) der amerikanischen Autorin Erin Entrada Kelly durchsetzen. Mit viel Feingefühl und Respekt erzählt sie aus unterschiedlichen Perspektiven die Geschichte des schüchternen Virgil, der fast tauben Valencia, des Fieslings Chet und der jungen Hellseherin Kaori. Großartig werden die Einzelschicksale der vier Kinder zu einer Freundschaftsgeschichte verwoben, die lange nachklingt. Diese Wirkung ist auch der Übersetzung von Birgitt Kollmann zu verdanken, die jede Figur mit ihrer eigenen Stimme wiedergibt.
Als bestes Jugendbuch überzeugte Steven Herricks lyrischer Roman Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen (Thienemann). In poetischer Sprache zeichnet Herrick das Porträt eines Heranwachsenden im Australien der 1960er Jahre. Vignettenartig reihen sich Eindrücke und Erlebnisse aus Harrys Kindheit und Jugend aneinander. Trotz aller Widrigkeiten des prekären Umfelds liegt der Fokus auf den großen und kleinen Dingen, die das Leben ausmachen. Erzählt wird eine Geschichte, die mit allen Sinnen für die Schönheit des Lebens sensibilisiert. Dies ist auch der meisterlichen Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn zu verdanken.
Sieger beim Sachbuch ist Extremismus (Carlsen) von Anja Reumschüssel. Das handliche Taschenbuch räumt mit Klischees auf: Es ist akribisch recherchiert und definiert mit vielen Beispielen aus Politik, Religion und Gesellschaft diverse Erscheinungsformen von „Extremismus“. So bildet der Titel die Fülle des Stoffes differenziert und doch angemessen reduziert ab. Dabei plädiert die Autorin für Aufklärung und Bildung und setzt ein unmissverständliches Zeichen für Demokratie. Das Preisbuch der Jugendjury klärt auf und macht ein schwer greifbares Thema anschaulich. Neal Shustermans Kompass ohne Norden (Hanser), übersetzt von Ingo Herzke, schildert die Geschichte des 15-jährigen, an Schizophrenie erkrankten Caden. Das Chaos in Cadens Kopf veranschaulicht Neal Shusterman mit einer beeindruckenden, bildlichen Sprache. Er kennt die Problematik aus nächster Nähe, bei seinem Sohn Brendan wurde im Jugendalter eine schizoaffektive Störung diagnostiziert. Die Zeichnungen des Buches stammen von Brendan Shusterman aus jener Zeit und lassen den Leser noch eindringlicher in die Erfahrungswelt eintauchen.
Der WDR 5 ist Kooperationspartner der Preisverleihung und wird einen gekürzten Mitschnitt der Veranstaltung im Hörfunk ausstrahlen: WDR 5 Spezial – Deutscher Jugendliteraturpreis, 20. Oktober 2019, 15.04 bis 16.00 Uhr.