Rainer Knoob, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger e.V. (AUB), sagte heute anlässlich des von der AUB ausgerufenen Tages der betrieblichen Mitbestimmung am 4. Februar 2021
Vor mehr als 100 Jahren am 4. Februar 1920 trat das erste deutsche Betriebsrätegesetz in Kraft.
Das Betriebsrätegesetz basierte auf der Überzeugung und dem Glauben an mündige, selbstbewusste Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aktiv am Arbeitsleben teilnehmen und bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen mitbestimmen können.
"Die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger versteht sich als unabhängige Vertretung einer modernen Arbeitnehmerschaft, für die betriebliche Lösungen im Vordergrund stehen. Wir haben den Tag der betrieblichen Mitbestimmung am 4. Februar 2017 ins Leben gerufen, um an diejenigen zu erinnern, die 1920 für die gleichen Ziele gekämpft haben wie wir heute:
selbstbewusste Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die betriebliche Lösungen in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Betriebe und der Beschäftigten aushandeln", sagte Rainer Knoob.
Vor wenigen Wochen überraschte uns das Bundesarbeitsministerium mit dem Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes. Vorrangiges Ziel ist offenbar, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und Fälle von Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren. Das halten wir natürlich grundsätzlich für richtig, denn tatsächlich geht die Zahl der Betriebsräte in betriebsratsfähigen Betrieben zurück.
Wir glauben allerdings nicht - wie anscheinend der Gesetzgeber (und spätestens hier merkt man den Einfluss der Gewerkschaften auf den Gesetzentwurf)-, dass dies hauptsächlich mit drastisch gegen Betriebsräte handelnden Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zusammenhängen soll.
Vielmehr sind wir überzeugt, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt durch Digitalisierung, KI (Künstliche Intelligenz), Veränderungen in der Entgeltgestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht nur den Arbeitgebern und der Wirtschaft nützt, sondern auch den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mehr Selbstbestimmtheit und auch mehr Selbstbewusstsein bei und in ihrer Arbeit gebracht hat. Damit einher geht eine Abkoppelung von vorgegebenem Denken, das in vielen Betriebsräten gleichzeitig gewerkschaftliches Funktionärs- denken ist.
Dass die eigentlich vom Gesetz vorgegebene Trennung zwischen Betriebsratstätigkeit und Gewerkschaftsmitgliedschaft in der Praxis oftmals ignoriert wird - und zwar von allen Beteiligten - führt nach unseren Erfahrungen zu teilweise großer Frustration sowohl bei unabhängigen Betriebsräten als auch bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und damit zu wenig Begeisterung für Betriebsratsarbeit.
Sachliche, informierte und unabhängige Betriebsräte haben die Anerkennung und Akzeptanz der Kollegen und Kolleginnen und der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen.
Weder das vorgeschlagene vereinfachte Wahlverfahren noch der erweiterte besondere Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl vermögen deshalb aus unserer Sicht die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern.
Wir regen an, dass die Gründe für die fehlende Bereitschaft zur Gründung von Betriebsräten neutral erforscht wird und für eine Gesetzesbegründung mehr als ein pauschales Arbeitgeber- Pushing stattfindet.
- Auch die wenigen anderen angedachten Änderungen im BetrVG stärken nicht die Betriebsräte per se, sondern sind Place-bo-Pflaster für enttäuschte Gewerkschafter und Kostenfaktoren für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen. Wirkliche Stärkung von Rechten und vor allen Dingen die erforderliche Modernisierung des BetrVGs sind sie nicht.
- Es fehlt eine längst fällige Neuregelung zu § 77 III BetrVG, die es Betriebsräten und Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen unmöglich macht, für die meisten Themen eine individuelle betriebliche Lösung zu finden, wenn bereits Regelungen in einem Tarifvertrag bestehen. Damit ist in der Praxis die Mehrzahl von Betriebsvereinbarungen unwirksam - dies ist allen seit Jahren bekannt und es ist mehr als ignorant, dass der Gesetzgeber hier offenbar keinen Handlungsbedarf gesehen hat und die Betriebsparteien auf rechtlich unsicherem Boden weiterhin allein lässt!
"Dieser Gesetzentwurf ist nicht der große Wurf, den wir uns für die Modernisierung des BetrVGs gewünscht hätten. Allein die Zulassung virtueller Betriebsratssitzungen macht noch kein modernes Gesetz. Es wird also weiter auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ankommen, die die jeweilige notwendige Anpassung an die Realitäten des Arbeitslebens vornehmen. Es ist enttäuschend, dass der Gesetzgeber jetzt nicht die Chance ergriffen hat, weitere moderne und rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zu schaffen", sagte Rainer Knoob abschließend.