- Problem nicht nur bei Lkw und Bussen, sondern auch bei Pkw
- ARCD fordert Entschärfung der Abbiegesituationen in Städten
- Rücksicht statt Risiko unter den Verkehrsteilnehmern
Besonders kritisch wird es, wenn ein Lkw-Fahrer rechts abbiegt und ein Radfahrer geradeaus fährt. Befindet sich der Radfahrer in diesem Moment direkt neben dem Lkw im so genannten Toten Winkel, kann ihn der Lkw-Fahrer aufgrund der Unübersichtlichkeit seines Fahrzeugs leicht übersehen. Zwar gibt es theoretisch keinen „Toten Winkel“ bei Lkw mehr, da Neufahrzeuge über 3,5 t seit dem 26.1.2007 mit einem erweiterten Spiegelsystem für eine lückenlose Rundumsicht ausgestattet sein müssen. Dennoch ereignen sich diese Unfälle weiterhin: Nach einer Hochrechnung für das Jahr 2012 waren wohl rund 640 Unfälle mit Personenschaden, darunter 23 getötete und 118 schwerverletzte Radfahrer, auf Abbiegeunfälle zwischen Lkw- und Fahrradfahrern in Zusammenhang mit dem „Toten Winkel“ zurückzuführen.
„Die Unfallzahlen zeigen, dass das Abbiegen von Lkw und Bussen nach wie vor eine unfallträchtige Situation mit gravierenden Folgen darstellt – und das trotz geringer Geschwindigkeiten im Stadtverkehr“, sagt ARCD-Pressesprecher Josef Harrer. „Das hat mehrere mögliche Ursachen: Teilweise sind die Spiegel nicht richtig eingestellt, teilweise prüfen Lkw-Fahrer nicht alle Spiegel beim Abbiegen oder sind schlicht mit deren Vielzahl und der Komplexität der Situation überfordert.“ Außerdem entsprächen Lkw aus Ländern außerhalb der EU bei Weitem nicht den europäischen Spiegelvorschriften.
Lösungsmöglichkeiten
Mit straßenbaulichen Lösungen können diese gefährlichen Situationen entschärft werden. Eine vorgezogene Aufstellfläche etwa, auf der Radfahrer bis zu fünf Meter vor dem ersten Fahrzeug an der Ampel stehen, hilft Auto-, Lkw- und Busfahrern, diese besser wahrzunehmen. Auch bei einem über die Breite der Spur aufgeweiteten Radaufstellstreifen (ARAS) ist das der Fall.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Radfahrer und Kraftfahrzeuge schon vor der Kreuzung zu sortieren, indem sich der Radfahrstreifen für Geradeausfahrende links vom Rechtsabbiegestreifen befindet. Damit der Fahrer eines Kraftfahrzeugs den Fußgänger- und Radüberweg besser einsehen kann, hilft es auch, diesen ein paar Meter in die Seitenstraße einzurücken. „Der ARCD fordert, zur Entschärfung der gefährlichen Abbiegesituationen in Städten den Fokus verstärkt auf solche baulichen Lösungen zu legen“, sagt Harrer. Trixi-Spiegel – gewölbte Spiegel an Ampeln – werden von Lkw-Fahrern dagegen schnell vergessen oder übersehen, da sie bisher nur an wenigen Kreuzungen angebracht sind.
Zusätzlich ist eine bessere Ausstattung der Lkw und Busse mit Fahrerassistenzsystemen zur besseren Totwinkel-Erkennung wünschenswert. Auch eine großzügig verglaste Beifahrertür könnte den einen oder anderen Unfall verhindern.
„Toter Winkel“ beim Pkw
Beim Pkw existieren ebenfalls solche unübersichtlichen Situationen. „Wer denkt, dass der „Tote Winkel“ ein spezifisches Lkw- oder Busproblem ist, irrt. Auch Autofahrer sehen Radfahrer, Fußgänger oder Motorradfahrer direkt neben dem Fahrzeug im Spiegel kaum oder gar nicht“, sagt Harrer. Deshalb ist der Schulterblick hier so wichtig, genauso wie vor dem Öffnen der Autotür und auf Autobahnen beim Überholen und Wiedereinordnen. Sonst werden andere Verkehrsteilnehmer schnell übersehen – mit möglichen tödlichen Folgen.
Verhaltenstipps für Fußgänger, Rad- und Motorradfahrer
Radfahrer und Motorradfahrer sollten es vermeiden, direkt neben einem Pkw oder Lkw zu fahren, und immer mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer rechnen. An einer roten Ampel oder einer Kreuzung müssen Radfahrer und Fußgänger über direkten Blickkontakt mit dem Fahrer sicher gehen, dass sie gesehen werden. Anhaltspunkt kann sein: Wer den Fahrer über den Außenspiegel nicht sieht, wird auch nicht gesehen. Dann hilft es außerdem, einen sicheren Abstand zum Fahrzeug zu halten – entweder weit davor oder dahinter – und zu warten, bis es abgebogen ist. „Rücksicht statt Risiko muss das oberste Gebot in Zeiten dichten Verkehrs sein“, sagt Harrer. „Auf keinen Fall darf man auf sein Recht beharren und muss notfalls auf die eigene Vorfahrt verzichten.“ ARCD