- Ein Fünftel aller Zwischenfälle beim Fliegen wird durch übermüdete Piloten hervorgerufen
- Umfrage: zwei von drei Piloten schliefen schon einmal im Cockpit ein
- ARCD fordert ausreichende Ruhezeiten auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen
Piloten von Passagiermaschinen warnen vor Gefahren wegen zu geringer Ruhezeiten beim fliegenden Personal. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA legte einen Entwurf für neue Dienstzeitregelungen jetzt in Brüssel vor, gegen den Pilotenverbände wegen aus ihrer Sicht unzureichender Dienstzeitenregelungen protestieren.
Entsprechend dem Entwurf der EASA soll die maximal zulässige Flugzeit in der Nacht zwar um 45 Minuten auf elf Stunden sinken - das sind aber noch immer zwei Stunden mehr, als in den USA erlaubt. Die Pilotenvereinigung Cockpit befürchtet, dass es in der Praxis unter bestimmten Umständen auch zu zwölf oder 13 Stunden langen, ununterbrochenen Dienstzeiten kommen könne. In Extremfällen könnte das Flugpersonal sogar bis zu 18 Stunden am Stück ohne Schlaf bleiben.
Seit Langem kritisieren die Piloten, dass aktuelle wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse bei der geplanten Neuregelung der Dienstzeiten ignoriert würden. Die EASA selbst gab eine als "Moebus Report" bekannt gewordene wissenschaftliche Studie in Auftrag, mit folgendem Ergebnis: Flugzeiten von mehr als zehn Stunden in der Nacht verschärfen das Risiko durch übermüdete Piloten signifikant. Laut Cockpit zeigten andere Untersuchungen, dass bei rund 20 Prozent aller Unglücke oder Zwischenfälle Übermüdung der Besatzung an Bord eine Rolle spielt. Fast alle Piloten (93 %) gaben in einer Umfrage Fehler im Dienst wegen Übermüdung zu. Bei einer Befragung unter US-Piloten bekannten 70 Prozent, dass sie schon mindestens einmal während des Fluges eingeschlafen seien - also zwei von dreien.
Welche Gefahren durch Übermüdung von Piloten entstehen können, zeigt ein Vorfall vom Juni 2012: Piloten einer deutschen Airline lösten einen Notruf aus und überließen die Landung dem Autopiloten, weil sie sich zu müde fühlten. Doch auch bei einer automatischen Landung ist die volle Aufmerksamkeit der Piloten gefordert. Für den Fall, dass etwas schiefgeht, müssen sie schnell reagieren können.
"Der Wunsch der Airlines, Kosten durch voll ausgereizte Dienstzeiten zu sparen, ist ökonomisch verständlich, verursacht aber unkalkulierbare Risiken im Passagierflugbetrieb", kritisiert ARCD-Pressesprecher Josef Harrer. Wirtschaftliche Gründe dürften nie und nimmer Leben und Gesundheit von Passagieren und Personal gefährden. Die EASA sieht es als ihre Hauptaufgabe an, gemeinsame Sicherheits- und Umweltstandards auf europäischer Ebene zu entwickeln. Dabei sollte sie mehr auf unabhängigen Expertenrat und weniger auf die Lobby- Wünsche der Airlines hören, wenn es um sichere Ruhezeiten für Piloten und Kabinenpersonal geht, fordert der ARCD - und appelliert mit den Piloten an die Bundesregierung und die zuständigen europäischen Gremien, Lehren aus den Zwischenfällen der Vergangenheit zu ziehen.
Über die jetzt vorgelegten EASA-Pläne entscheidet die EU-Kommission. Das EU-Parlament und die 27 Mitgliedsstaaten müssen ebenfalls zustimmen. Entsprechende Gesetzesänderungen kommen nicht vor Mitte 2013, erfuhr der ARCD aus Brüssel. ARCD