- Bußgeldvorschriften der StVO-Novelle sind nichtig
- Bis zur Neufassung Anwendung des bisherigen Bußgeldkataloges
- AvD fordert weiter Verzicht auf Verschärfung der Bußgelder
In der Ende April 2020 in Kraft getretenen reformierten Straßenverkehrsordnung (StVO) sind unter anderem viele Geldbußen erhöht und die Verhängung von Fahrverboten ausgeweitet worden. So sollten Kraftfahrer bereits ab 21 km/h Überschreitung innerorts bzw. ab 26 km/h außerorts bereits einen Monat lang nicht mehr fahren dürfen. Aber auch das Nichtbilden einer Rettungsgasse oder gefährdendes Abbiegen sollte nach der Neuregelung schneller mit einem Fahrverbot belegt werden.
In der Novelle der StVO fehlt ein Hinweis auf Paragraph 26a Abs.1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der dem Bundesverkehrsministerium erlaubt, Vorschriften zu Fahrverboten zu erlassen bzw. solche neu zu ordnen. Da die StVO nicht vom Bundestag verabschiedet wird, bestimmt das Grundgesetz, dass eine solche Verordnung alle Ermächtigungsgrundlagen benennen muss, auf denen sie beruht (Art. 80 Absatz 1 Satz 3).
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1999 entschieden, dass eine vollständige Zitierung „ein unerlässliches Element des demokratischen Rechtsstaates“ darstelle (U. v. 06. Juli 1999, Az.: 2 BvF 3/90). Die Rechtssetzungskompetenz von Ministerien und Behörden sei nur bei vollständiger Zitierung der gesetzlichen Grundlagen verständlich und nachvollziehbar. Die Folge einer fehlenden Zitierung ist die Nichtigkeit der Verordnung.
Der AvD rät Kraftfahrern die ab Mai 2020 mit dem Vorwurf einer Verkehrsübertretung konfrontiert worden sind, sich die Vorwürfe genau anzuschauen. Folgende Konstellationen sind denkbar:
- Hat die Bußgeldbehörde bereits ein Verfahren eröffnet und dem Betroffenen einen Anhörungsbogen zugeschickt, sollte er einen im Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt hinzuziehen, der das Verfahren weiter betreibt und mit Verweis auf die fehlerhafte Novelle die Einstellung des Verfahrens verlangen. AvD-Mitglieder können sich von ihrem Club einen Vertrauensanwalt benennen lassen.
- Hat die Behörde bereits einen Bußgeldbescheid erlassen, muss der Betroffene selbst oder über seinen Anwalt innerhalb der 14-tägigen Frist dagegen Einspruch einlegen. Auch hier ist die Änderung der Rechtsfolgen das Ziel.
- Ist bereits ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid mit Fahrverbot erlassen, hat der Betroffene aber das Fahrverbot jedoch noch nicht angetreten, sollte bei der Bußgeldstelle ein Vollstreckungsaufschub beantragt werden. Der AvD rät auch hier zu anwaltlicher Unterstützung.
- Hat der Betroffene sein Fahrverbot schon angetreten, ist ein Antrag auf Aufhebung der Entscheidung und die Herausgabe des Führerscheins denkbar. Beim Stellen dieses Antrags ist anwaltliche Hilfe ebenfalls sinnvoll.
Die StVO-Novelle muss für die Neufassung der Bußgeldvorschriften wegen der Nichtigkeit noch einmal das politische Verfahren durchlaufen. Der AvD verlangt, dass die unverhältnismäßigen Verschärfungen zurückgenommen werden. Bereits vom bisherigen Bußgeldkatalog ging eine hinreichende Abschreckungswirkung aus. Die unzureichende Durchsetzung der bestehenden Verkehrsregeln gegenüber Kraftfahrern, aber auch gegenüber Radfahrern und Fußgängern, leidet vor allem an der mangelnden Kontrolldichte, weil die Sparpolitik der Bundesländer den Polizeibehörden die dafür notwendige personelle Ausstattung versagt.
Der AvD macht darauf aufmerksam, dass die mit der Änderung der StVO verbundenen Änderungen der Verhaltenspflichten, etwa Schrittgeschwindigkeit von Lkw beim Rechtsabbiegen innerorts, weiter einzuhalten sind. Der AvD tritt weiter dafür ein, dass alle Verkehrsteilnehmer sich im Straßenverkehr mit der gebotenen Vorsicht bewegen und Rücksicht auf andere nehmen.
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