Der aktuelle „CO2-Hype“ sorge für falsche Weichenstellungen. „Wir fokussieren zu stark auf das CO2-Problem“, so Gutzmer. „Die Zukunft der Mobilität liegt in der Variabilität.“ Gutzmer geht davon aus, dass der Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit die vorherrschende Technologie bleibt. „Wir haben aktuell 1,3 Milliarden Autos auf der Welt, in den nächsten zehn Jahren kommen jedes Jahr 80 bis 90 Millionen neue Autos dazu, überwiegend mit Verbrennungsmotor. Es muss also darum gehen, den Verbrenner zu optimieren.“ Verbote seien nicht der richtige Weg und würden der deutschen Industrie schaden. Deutschland sei in der Verbrennungstechnologie mit Japan weltweit führend, andere Länder bei der Batterietechnologie und in der Wasserstofftechnologie. „Wenn wir unser führendes Wissen in der Verbrennungstechnolgie aufgeben, werden sich die anderen totlachen“, so Prof. Gutzmer. „Ein Verbot dieser Technologie in Deutschland wäre fatal.“
Auch der Automobilzulieferer Mahle aus Stuttgart, mit 80.000 Mitarbeitern einer der größten Zulieferer der Welt, sieht den Verbrennungsmotor als weiterhin wichtige Antriebstechnik. „Für 2030 werden global 107 Millionen neu zugelassene Pkw erwartet, mit einem Anteil von 65 % Verbrennungsmotoren und 35 % alternativen Antrieben. Das zeigt deutlich, dass auch in Zukunft der Verbrennungsmotor dominiert“, so Mahle-Manager Jörg Rückauf. Um beim Klimaschutz voranzukommen, brauche man beide Antriebstechniken, nämlich „hocheffiziente Verbrenner, idealerweise betrieben mit klimaneutralen Kraftstoffen“, aber auch Elektroautos, betrieben mit Strom aus erneuerbaren Energien.
Man müsse allerdings den gesamten Lebenszyklus betrachten und auch die energieintensive Herstellung der Batterie in China mit Strom aus Kohle in Rechnung stellen. „Deshalb wird mit mehr Elektroautos auf der Straße auch der CO2-Ausstoß global gesehen zunächst nach oben gehen“, so Rückauf. Der positive Effekt zur Verringerung der CO2-Emissionen stelle sich erst nach einigen Jahren Laufzeit der Fahrzeuge ein, vor allem dann, wenn der Strom CO2-neutral hergestellt werde. Um schnell große Mengen Treibhausgas zu vermeiden, plädiert Mahle dafür, den Treibstoff in Deutschland zu 5 % mit synthetischen Kraftstoffen zu versetzen. „Wären 2030 alle Neuwagen in Deutschland Elektroautos, wäre die CO2-Ersparnis genauso groß, als würden alle Verbrenner der Bestandsflotte einfach nur Kraftstoff mit 5 % regenerativ erzeugten synthetischen Kraftstoffen tanken.“
Kritisch sieht der Automanager die Rohstoffgewinnung für Elektroautos, beispielsweise Kobalt aus Afrika und Lithium aus den Salzwüsten Boliviens. Rückauf: „Wir dürfen unsere Probleme nicht in andere Regionen der Welt verlagern und müssen auch hier auf Nachhaltigkeit achten.“
Dass selbst Vorreiter China nicht nur auf Elektromobilität setzt, betonte auf dem ATZ-Kongress der Chefentwickler der österreichischen Anstalt für Verbrennungskraftmaschinen (AVL) List in Graz. „Die Chinesen machen alles. Sie setzen auf E-Mobilität, Wasserstoff und fördern jetzt Autos mit Verbrennungsmotoren, die einen Wirkungsgrad von 45 % erreichen.“
Wie man Verbrennungsmotoren effizienter macht, war Thema des zweitätigen Motorenkongresses der Autofachzeitschrift ATZ in Hanau. Forscher und Vertreter führender Autohersteller und Zulieferer stellten neue Konzepte und Entwicklungen vor, um beispielsweise die Reibung in Verbrennungsmotoren zu verringern, die Verbrennung zu optimieren und die Abgasbehandlung zu verbessern. Zudem wurden Versuchsreihen mit verschiedenen synthetischen Kraftstoffen sowie alternative, sparsamere Brennverfahren vorgestellt.