Seit zehn Jahren ist Stefan Lehmann, Geschäftsführer der Lehmanns Gastronomie, von den Vorteilen überzeugt, die Cook & Chill bietet. Aktuell baut der Unternehmer aus Bonn eine neue Großküche, die komplett auf jenes Produktionsverfahren ausgerichtet ist und anfänglich rund 10.000 Essen täglich herstellen soll. „Das Schlimmste, was man einem Essen antun kann, ist, es warm zu halten“, sagte er im Rahmen des „Cook & Chill“-Seminars der Behr’s Akademie am 6. Juli 2017 bei der NordCap GmbH in Düsseldorf. „Es geht uns darum, mit Cook & Chill eine vernünftige Qualität auf den Teller zu bringen – alles andere ist zweitrangig.“ Beim Cook & Chill-Verfahren werden Speisen gegart, anschließend in 90 Minuten auf Kühlschranktemperatur heruntergekühlt und erst kurz vor der Ausgabe wieder erhitzt. So bleiben Aussehen, Geruch, Konsistenz, Vitamine und Nährstoffe erhalten. Brokkoli bleibt grün, Nudeln behalten ihre Form und Knuspriges bleibt knusprig.
Weniger Stress in der Küche
Dennoch riet Stefan Lehmann davon ab, Hals über Kopf auf Cook & Chill umzusteigen. Das Verfahren erfordere völlig neue Prozesse in der Küche, neue Rezepturen, neue Geräte, der Einkauf müsse angepasst werden. Aber eine Umstellung könne eine lohnende Investition in die Zukunft sein. Gemeinschaftsverpfleger, die mit Cook & Chill arbeiten, könnten dreimal mehr Kunden bedienen und weitere Strecken fahren, als reine Warmverpfleger. Auch die Mitarbeiter profitierten von Cook & Chill. „Sie sind viel entspannter, weil sie keinen Zeitdruck haben“, berichtete der Caterer. Außerdem ließe sich mit Cook & Chill der Fachkräftemangel in der Gastronomie auffangen, da zwar mehr Küchenhilfen, aber weniger Köche eingestellt werden müssten.
Hygieneanforderungen beim Cook & Chill-Verfahren
Das Cook & Chill-Verfahren wurde als erstes Produktionsverfahren überhaupt genormt (DIN-Norm 10536). Dr. Thomas Reiche, der Vorsitzende des Arbeitskreises Außer-Haus-Verpflegung, hat diese Norm mit seinem Arbeitskreis entwickelt. Zentrale Aspekte sind der sichere Umgang mit Lebensmitteln und die Gefahrenanalyse (HACCP). Der Lebensmittel-Hygieniker wies auf drei kritische Kontrollpunke (CCP) hin: Beim Garen (CCP 1) muss eine Kerntemperatur von 72 °C erreicht werden. Beim Schnellkühlen (CCP 2) müssen die Speisen in 90 Minuten von 65 °C auf 3 °C runtergekühlt werden. Ausnahmefälle (z. B. ein Braten) erlauben einen längeren Kühlvorgang, müssen aber auch nach 120 Minuten 3 °C erreichen. Beim Regenerieren bzw. Endgaren (CCP 3) muss abermals eine Kerntemperatur von 72 °C erreicht werden. In der Ausgabe darf die Temperatur von 65 °C nicht unterschritten werden. Diese strengen Temperaturvorgaben sollen sicherstellen, dass Keime abgetötet, ein Auskeimen von Sporen und die Keimvermehrung verhindert werden sowie die enzymatische Einwirkung im Produkt gering bleibt.
Hülsmann: „Mise-en-place ist heute Cook & Chill“
„Die Anforderungen an die GV-Küche steigen: Mitarbeiter wollen mit frischen Produkten arbeiten, Kunden wollen eine große Auswahl, Anbieter stehen unter Kostendruck“, zählte Carsten Hülsmann auf, einst Bankettmanager eines 4-Sterne-Hotels und seit 2004 Berater in der Großküchentechnik-Industrie. Mit Cook & Chill, für Hülsmann vom Prinzip her nichts anderes als das klassische Mise-en-place, könne man jedoch all die Anforderungen bewältigen – und das sogar stressfrei. „Schnellkühlung sichert Qualität“, meinte auch er, weshalb sich das Verfahren gleichermaßen für Schulcaterer, Betriebsverpfleger oder Restaurants eigne. Das moderne Verfahren habe einen weiteren Pluspunkt: „Cook & Chill erlaubt den Köchen, wieder kreativ zu werden.“ Statt bloß Fertigsaucen aufzuwärmen, könnten sie eigene Soßen entwickeln, kühlen, regenerieren und servieren.
Cook & Chill erfordert intensive Planung
Qualität war das Stichwort für Günther Lehmann, ebenfalls Geschäftsführer bei Lehmanns. „Qualität ist das Wichtigste für uns“, sagte er. Genau deshalb setzten sie auf Cook & Chill. Er gab Einblicke in die Praxis und stellte klar: Einfach drauf los kochen, funktioniert bei Cook & Chill nicht. Nicht zu unterschätzen sei die exakte Planung – vom Einkauf, über die Rezeptur bis hin zur Zubereitung: „Wir planen genau, in welchem Kessel wir wann was kochen.“
Kreativität ist gefragt: Köche können experimentieren
Entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung auf Cook & Chill sei es, die eigenen Mitarbeiter von Anfang an mitzunehmen, sie zu schulen, ihnen ihre Sorgen zu nehmen. Vor allem müssten die Köche und Küchenleiter offen sein für Neues und Spaß haben am Experimentieren. Denn Cook & Chill unterscheide sich hinsichtlich der Garzeiten und der verwendeten Produkte von der klassischen Küche. „Wir lernen immer noch jeden Tag dazu“, sagte Günter Lehmann, der jahrzehntelang Küchenleiter eines Seniorenheims war und seit 2007 als Catering-Unternehmer in der Küche steht. Den Cook & Chill-Prozess immer weiter zu optimieren, ist sein Ziel. Dafür arbeitet Lehmanns Gastronomie auch mit namhaften Lebensmittelherstellern zusammen, um gemeinsam mit ihnen eigene Produkte zu entwickeln, die sich optimal im Cook & Chill-Verfahren herstellen lassen und das Speisenangebot ergänzen.
Umstellung auf Cook & Chill: Neue Geräte, mehr Lagerfläche
Zur optimalen Organisation der Küche, gehöre auch eine vernünftige Geräteplanung, sagte Carsten Hülsmann. Mit Cook & Chill lassen sich zwar mit der gleichen Küchenmannschaft in der gleichen Zeit deutlich mehr Essen zubereiten, aber die Produkte müssen gelagert und gekühlt werden können. Dafür brauche es ausreichend Rollwagen, GN-Behälter, Transportboxen und Lagerfläche. Zudem seien Kombidämpfer und Schnellkühler auch in kleinen Größen sinnvoll, um kleine Chargen zu erhitzen oder zu kühlen.
Cook & Chill-Workshop
In Anschluss an die Vorträge konnten sich die Teilnehmer im Praxisteil von Cook & Chill überzeugen und selbst verschiedene Gar- und Kühltechniken kennenlernen und die Produkte verkosten.
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