Die Wissenschaftler des ISEG haben 1168 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren befragt, die bei der GEK versichert sind und in den letzten drei Jahren mindestens einmal wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus waren. Außerdem wurde eine repräsentative Vergleichsgruppe aus 1757 Jugendlichen dieser Altersgruppe ohne entsprechende Erfahrung einbezogen. Auswertbare Fragebögen liegen von insgesamt 577 Jugendlichen (19,8 Prozent) vor.
Wichtigstes Ergebnis des GEK-Report: Krankenhausaufenthalte wegen Alkoholmissbrauch haben nur begrenzte Effekte auf das anschließende Trinkverhalten. Zwar gaben 83 Prozent der Jugendlichen an, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren. Im Vergleich zur anderen Gruppe trinken sie allerdings immer noch weit mehr und häufiger: In den letzten 30 Tagen hatten sie deutlich häufiger getrunken (10,5 mal zu 6,2 mal), pro Trinkgelegenheit mehr alkoholische Getränke konsumiert und exzessives Trinken, so genanntes "Binge Drinking", häufiger praktiziert (32,4 Prozent zu 13,0 Prozent). Weitere Charakteristika: Alkohol wird viel öfters bereits vor dem 12. Lebensjahr konsumiert (19,6 Prozent zu 7,5 Prozent) und spielt im Freundeskreis eine zentrale Rolle. Entsprechend nehmen in dieser Gruppe Partyaktivitäten einen höheren Stellenwert ein. Dr. Eva Bitzer, Autorin des Reports, resümiert: "Krankenhausaufenthalte haben kaum abschreckende Wirkung."
Die Untersuchung der langfristigen Entwicklung zeigt: Die Behandlungsraten von Mädchen und Jungen im Alter von 15 bis 19 Jahren weisen seit 1990 kontinuierlich nach oben. Der Anteil der wegen Alkoholproblemen behandelten Jugendlichen hat sich zwischen 2002 und 2008 verdoppelt - bei Mädchen stieg die Behandlungsrate von 18 auf 37 pro 10.000 Versicherte, bei gleichaltrigen Jungen von 24 auf 52 pro 10.000 Versicherte. Seit 1990 stieg die Behandlungsrate von Jungen sogar um den Faktor 5,5, bei Mädchen um den Faktor 4,8.
Laut Bitzer lässt sich der drastische Anstieg nicht allein dadurch erklären, dass heute Krankenhäuser schneller in Anspruch genommen werden: "Die Zahlen und Befragungsergebnisse belegen einen komplexen Trend, der durch die bisherige Diskussion oder vereinzelte gesetzgeberische Maßnahmen wie die Alkopopsteuer im Jahr 2004 weder gebremst noch umgekehrt werden konnte. Einfache Präventionsansätze greifen hier zu kurz."
Geplante Alkoholverbote in Innenstädten und Verkaufseinschränkungen bei Tankstellenshops bewertet GEK Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker zurückhaltend: "Rauschtrinken darf nicht Trendsport werden. Einseitige Verbotsstrategien helfen aber auf Dauer nicht weiter. Wir sollten lieber die Präventionskultur als ein Verbotsklima fördern. Die GEK setzt deshalb auf einen Mix aus jugendgerechter Information, Sportförderung und jugendärztlicher Betreuung." Schlenker verweist auf verschiedene Förderprojekte, die Kinder und Jugendliche im eigenen Freizeitumfeld kreativ ansprechen und positive Erlebnisse jenseits der eigenen oder familiären Suchtproblematik ermöglichen. Er fordert eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Ärzten und Krankenkassen und regt eine nationale Aufklärungskampagne gegen das Rauschtrinken an.
Der diesjährige GEK-Report Krankenhaus belegt auch die anhaltende Entwicklung zu immer kürzeren Verweildauern und steigenden Fallzahlen im Krankenhaus. Lag der Patient 1990 durchschnittlich mehr als 13 Tage im Krankenhaus, waren es 2008 nur noch 8,6 Tage - ein Rückgang um mehr als ein Drittel. Dieser geht vorrangig auf die sinkenden Behandlungszeiten von Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems zurück, die sich seit 1990 um 41 Prozent reduziert haben. Ein gegenläufiger Trend zeigt sich allein bei den stationären Behandlungszeiten psychischer Erkrankungen, zu denen auch der Krankenhausaufenthalt wegen Alkoholvergiftung zählt: Hier ist seit 1990 eine Zunahme von 44 Prozent zu verzeichnen. Bitzer: "Der Strukturwandel im Krankenhaus seit den 1990er Jahren ist beachtlich, erst recht, wenn wir den Sondereffekt bei den psychischen Störungen aus der Statistik herausrechnen." Auf die Diagnosen der psychischen Störungen entfielen 2008 16 Prozent aller stationären Behandlungstage. 1990 hatte ihr Anteil noch 8 Prozent betragen.