Medizinischer Fortschritt und hohe Kosten
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der BARMER GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, erkennt darin durchaus Positives: "Unsere Versicherten profitieren vom medizinischen Fortschritt und das Solidarsystem der Gesetzlichen Krankenversicherung zeigt seine Leistungsfähigkeit." Gleichzeitig verweist der Kassenvize auf geschätzte Gesamtkosten von 1,76 Mrd. Euro pro Jahr für CT und MRT-Untersuchungen. Dabei entfällt ein Anteil von rund 1,25 Mrd. Euro auf den ambulanten Bereich (ca. 3,2 Prozent der ärztlichen Behandlungskosten im ambulanten Bereich). Die zunehmende Strahlenbelastung durch CT-Nutzung sieht Schlenker kritisch. "Wir dürfen diese Medizintechnik nicht nur einsetzen, weil sie modern ist. Die medizinischen Möglichkeiten nehmen zu, eine differenzierte Diagnostik wird immer wichtiger. Aber jede Diagnostik muss zu therapeutischen Entscheidungen führen."
Wissenschaftler des Hannoveraner Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) haben für Deutschlands größte Krankenkasse die Untersuchungsraten der letzten Jahre unter die Lupe genommen. Der Trend zeigt konstant nach oben, ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Zwischen 2004 und 2009 stieg die Zahl der Personen mit mindestens einer Computertomographie (CT) um insgesamt 26 Prozent. Der Bevölkerungsanteil mit mindestens einer Magnetresonanztomographie (MRT) erhöhte sich im selben Zeitraum um insgesamt 41 Prozent. Zieht man den Alterungseffekt ab, liegen die Steigerungsraten noch bei insgesamt 20 bzw. 38 Prozent. Die jährliche Steigerungsrate seit 2004 liegt damit bei durchschnittlich 4,8 Prozent (CT) und 7,1 Prozent (MRT) beziehungsweise bereinigt um demografische Effekte bei 3,7 und 6,6 Prozent.
MRT beliebt bei Ärzten und Patienten
Nicht nur bei Ärzten, auch bei Patienten steht die bildgebende Diagnostik hoch im Kurs. Bei einer Patientenbefragung wurde danach gefragt, wie wichtig die Untersuchung mit MRT zur Abklärung der eigenen Kniebeschwerden gewesen sei. 90 Prozent hielten sie für "sehr wichtig", nur ein Prozent gab an, dies nicht beurteilen zu können.
Für Professor Friedrich Wilhelm Schwartz vom ISEG sagt die breite Nutzung noch nichts über den medizinischen Nutzen aus: "In welchen Fällen das MRT sinnvolle therapeutische Konsequenzen nach sich zieht, die ohne MRT ausgeblieben wären, lässt sich nur schwer quantifizieren." Bei Knieuntersuchungen, so der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen, dürfte man in MRT-Bildern fast immer einen pathologischen Befund sehen.
3,4 behandelnde Ärzte im Durchschnitt
Der BARMER GEK Arztreport 2011 liefert weitere wichtige Kennzahlen und Trends zur ambulant-ärztlichen Versorgung. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung hatte im Jahr 2009 mindestens einen ambulanten Arztkontakt, wobei 16 Prozent nur eine Arztpraxis aufsuchte, rund 41 Prozent aber vier und mehr. Im Durchschnitt wurden 3,4 unterschiedliche behandelnde Ärzte bzw. Arztpraxen aufgesucht. Nur etwa 10 Prozent kontaktierten mehr als sechs unterschiedliche Ärzte, bei 1,2 Prozent der Bevölkerung wurden Leistungen von mehr als zehn unterschiedlichen Arztpraxen abgerechnet.
Ost-West-Gefälle bei Bluthochdruck und Diabetes
Auffällig sind auch die markanten Ost-West-Unterschiede bei der Häufigkeit einzelner Diagnosen. Dr. Thomas G. Grobe vom ISEG: "Noch 20 Jahre nach dem Mauerfall ließe sich die ehemalige innerdeutsche Grenze allein anhand von ärztlichen Diagnosen nachzeichnen." Ärzte in den neuen Bundesländern diagnostizieren "Essentielle Hypertonie" etwa 20 Prozent häufiger als im Bundesdurchschnitt, einen "Diabetes mellitus Typ 2" etwa 30 Prozent häufiger. Die höchsten Bundeslandwerte liegen bei der Hypertonie 47 Prozent über den niedrigsten Bundeslandwerten (Mecklenburg-Vorpommern verglichen mit Hamburg), beim Diabetes liegen Diagnoseraten um bis zu 93 Prozent auseinander (Sachsen verglichen mit Hamburg). Wieweit dies auf unterschiedliche Kodiergewohnheiten oder Erkrankungshäufigkeiten zurückgeht, bleibt offen.
Auswertungsbasis sind die pseudonymisierten Daten von rund 8,2 Millionen BARMER GEK Versicherten. Der repräsentative Datenpool entspricht zehn Prozent der deutschen Bevölkerung und ermöglicht sehr differenzierte Auswertungen.