Neben der Wochentagsstruktur der Arztbesuche fällt auch die Zunahme der Arztkontakte insgesamt auf. Für den Zeitraum zwischen 2004 und 2007 weisen die Wissenschaftler vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) in Hannover unter anderem einen altersbereinigten Anstieg um 8,4 Prozent von 16,4 auf 17,7 Arztkontakte nach. Damit erreicht Deutschland im internationalen Vergleich ein auffällig hohes Kontaktniveau.
Angesichts von durchschnittlich 5,2 Millionen Arztbesuchen pro Werktag (6,3 Prozent der Bevölkerung) machte GEK Vorstand Dr. Rolf-Ulrich Schlenker eine weitere Rechnung auf: "Bezieht man die Zahl auf die 137.000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland, so hat jeder Arzt pro Arbeitstag rund 38 Patienten zu behandeln!" Knappe Beratungszeiten und steigende Arzneimittelverordnungen seien da kaum verwunderlich.
Auch die Zahl der Kontakte zu unterschiedlichen Ärzten sei bedenklich - 50 Prozent der Bevölkerung nahmen 2007 vier oder mehr Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen in Anspruch. Schlenker: "Freie Arztwahl darf nicht zu Ineffizienz führen. Hier ist eine stärkere Lotsenfunktion des Hausarztes gefragt."
Professor Friedrich Wilhelm Schwartz vom ISEG verwies in diesem Zusammenhang auf ein weitere Zahl: "An der Vielzahl unterschiedlicher Diagnosen bei älteren Männern und Frauen wird eine ausgeprägte Multimorbidität deutlich. Aus fachlicher Sicht zeigt sich hier ein objektiver Bedarf nach einer gut funktionierenden Hausarztversorgung in den höheren Altersgruppen." GEK Chef Schlenker kündigte an, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und dem Hausärzteverband weiter über einen qualitativen Ausbau des GEK Hausarztprogramms zu verhandeln.
"Depressionen" im Morbi-RSA
Neben der jährlichen Auswertung von Arztkontakten nach Alter, Geschlecht oder Diagnose widmet sich der GEK Report 2008 auf Grundlage der Versorgungsdaten von 1,6 Millionen GEK Versicherten einer aktuellen gesundheitspolitischen Frage: Welche Rolle spielen die chronischen Erkrankungsbilder "Depressionen" und "Herzinsuffizienz" im Morbi-RSA, dem neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich? Ein Ergebnis: Im Jahr 2006 ließen sich 5,8 Prozent aller Versicherten der für den Morbi-RSA zuweisungsrelevanten Diagnose "Depressionen" zuordnen. Nach Häufigkeit bildet sie damit die zweitgrößte Gruppe - nur von Hypertonie waren im Sinne des Morbi-RSA noch mehr Versicherte betroffen. Der Diagnose "Herzinsuffizienz" entsprachen immerhin noch 2,8 Prozent aller Versicherten.
Wachsende Anteile weitgehend gesunder Versicherter mit relevanten Diagnosen im Morbi-RSA beurteilte Dr. Thomas Grobe vom ISEG kritisch. Er sehe Anreize zu einer verstärkten Diagnoseerfassung: "Die Einführung von Kontrollmechanismen scheint bei der weiteren Etablierung des Morbi-RSA unausweichlich. Denn künftig werden etwa 45 Prozent der Finanzzuweisungen an die Krankenkassen direkt von dokumentierten Diagnosen abhängen, davon ein weit überwiegender Teil von ambulant dokumentierten Diagnosen."