Das Jahr 2020 begann, wie für viele andere Brauereien in Bayern, mit einer wichtigen Entscheidung. Das traditionelle Starkbierfest im Weihenstephaner Bräustüberl auf dem Berg war bis ins Detail vorbereitet, die Gäste eingeladen, als die ersten Fälle bekannt wurden. Nach ausführlichen Besprechungen entschied sich die Brauerei als Vorsichtsmaßnahme für die Absage der Veranstaltung. „Wie sich gezeigt hat, war das die einzig richtige Entscheidung, auch die Gäste, die natürlich gerne mit uns gefeiert hätten, waren im Nachhinein sehr froh darüber“, blickt Prof. Dr. Josef Schrädler, Direktor der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan, auf den Beginn der Pandemie zurück. Danach überschlugen sich die Ereignisse, auf die Weihenstephan sehr schnell mit einem umfassenden Maßnahmenpaket reagierte, wie Dr. Schrädler berichtet: „Unseren Markenbotschafter Matthias Ebner mussten wir mit einem der letzten Flüge von Australien nach Hause holen. In der Brauerei mussten wir innerhalb kürzester Zeit reagieren. Die Mitarbeiter wurden, wo es möglich war, ins Homeoffice geschickt, ein detailliertes Hygienekonzept wurde ausgearbeitet und für jeden Mund-Nasen-Schutzmasken verteilt. Zudem haben wir an der Büroaufteilung gearbeitet, um die Risiken soweit es geht zu minimieren. Damit sind wir bis heute gut gefahren.“
Der erste Lockdown von Ende März bis Mitte Mai hat für sehr hohe Verluste gesorgt, da die Umsätze auf dem regionalen und nationalen Markt durch die Schließung der Gastronomie komplett weggebrochen sind. Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan liefert ihre Bierspezialitäten in über 50 Länder weltweit, daher war der Export in Abstimmung mit der Produktion und Logistik stark gefordert, die internationale Lage zu beobachten und schnell zu reagieren. „In unserer Produktion mussten wir in dieser Zeit flexibel sein, Bestellrhythmen gab es einfach nicht mehr. Vorher konnte man sich zu einem gewissen Grad darauf einstellen, welches Land wann und wie viel bestellt. Jetzt mussten wir kurzfristig reagieren und ohne unser Logistikzentrum und die damit verbundenen Lagermöglichkeiten wäre dies nicht möglich gewesen. Und beim Bier ist es ja so, dass es auch eine gewisse Zeit zum Reifen braucht. Und das Wichtigste: Die Qualität muss trotz allen Umständen stimmen“, legt Schrädler die Situation dar.
Ein heller Lichtblick
Trotz Corona-Pandemie und Lockdown wurde wie geplant im Mai 2020 eine Neuheit vorgestellt. Nach über einem Jahr Entwicklungszeit präsentierte die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan eine weitere untergärige Bierspezialität: ein harmonisch ausbalanciertes Helles mit ausgewogenem, aber schlankem Malzkörper und elegantem Hopfenaromaprofil. Die Markteinführung im Mai war für die Brauerei genau richtig: „Wir bewegten uns auf das Ende des ersten Lockdowns zu, es war eine positive Stimmung zu spüren. Und dann war’s auch ein bisserl glücklich, dass wir ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit allem fertig wurden. Klar ist so eine Entscheidung immer mit einem Risiko verbunden, aber das Bier wurde und wird super angenommen. Eine Punktlandung und eine Erfolgsgeschichte. Insgesamt konnten wir ein Wachstum von 30 Prozent im Handel verzeichnen“, berichtet Dr. Schrädler. Die nach wie vor ungebrochene Nachfrage nach der neuen Bierspezialität wird aber nicht zu einer Strategieänderung weg von der Gastronomie hin zum Handel führen, erklärt Schrädler: „Weihenstephan ist nun mal eine Gastromarke, weshalb der erfreuliche Zuwachs im Handel mit dem neuen Hellen natürlich die Verluste nicht auffangen kann, die wir durch den Lockdown eingefahren haben. Aber wir sehen die Gastronomie nach wie vor als wichtigsten Partner und natürlich auch als den Vorreiter zur Markterschließung an. Deshalb wird sich unser Vorgehen auch 2021 nicht groß ändern.“
In der Summe betrachtet
2020 verbucht die Bayerische Staatsbrauerei in erster Linie als einen herben Rückschlag, da der Ausstoß unter 400.000 Hektoliter gefallen ist und die älteste Brauerei der Welt um einige Jahre zurückwirft. Dennoch schaut der Brauereidirektor optimistisch in die Zukunft: „Eine Prognose kann man zwar nicht treffen, aber wir hoffen, dass sich die Situation zum Sommer hin wieder bessert, und die Gastronomie wieder öffnen darf. Einen Herbst wie 2020 brauchen wir nicht noch einmal. Die Hoffnung besteht aber, dass wir im Spätsommer oder Herbst so weit sind, dass man die Wirtschaften nicht mehr schließen muss.“