Rund 250 Dachdeckerinnen, Dachdecker sowie Vertreter des Baustoffhandels und der Bedachungsindustrie werden von Freitag, 7. bis Sonntag, 9. Juli 2023, am 115. Landesverbandstag des Bayerischen Dachdeckerhandwerks im Werksviertel im Münchener Osten erwartet. Ausrichter dieses Verbandstags ist die Dachdecker-Innung München-Obb, die gleichzeitig ihren 120. Geburtstag feiert.
Energiewende: Ohne Dachdecker läuft es nicht
Bevor eine neue Heizung in einem Haus installiert wird, müssen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die neue Heizung auch wirtschaftlich arbeiten kann. Dazu gehört in erster Linie, die Gebäudehülle energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Darauf weist Landesinnungsmeister A. Ewald Kreuzer hin.
„Wir Dachdecker dämmen nicht nur Dächer, sondern die gesamte Gebäudehülle“, so Kreuzers Hinweis. Dabei verweist er nicht nur auf vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme (VHF), die vom Dachdeckerhandwerk ausgeführt werden. Auch den aktuellen Trend zu begrünten Dächern und Fassaden hat das Dachdeckerhandwerk schon lange erkannt. „Gründächer und grüne Fassaden sind natürliche Klimaanlagen ohne Energieverbrauch und zusätzlich wertvolle Klein-Biotope in den Metropolen“, erklärt der Landesinnungsmeister.
Auch für die Gewinnung von elektrischer Energie, die z. B. zum Betreiben von Wärmepumpen und Voraussetzung zum Gelingen der E-Mobilität ist, wird vom Dachdeckerhandwerk in Kooperation mit dem Elektrohandwerk per Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) realisiert. „So geht grüner Strom“, betont Kreuzer. Dazu kommt die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung durch Solarthermieanlagen auf dem Dach und an der Wand, die in Zusammenarbeit mit dem SHK-Handwerk ausgeführt werden.
Volle Auftragsbücher – leere Ausbildungsplätze
Ohne das Handwerk und seine Fachkräfte gelingt weder eine Energiewende noch eine Instandhaltung des Gebäudebestands. Das bekommen immer mehr Kunden zu spüren, die einen Handwerker beauftragen wollen. Volle Auftragsbücher mit einem Auftragsvorlauf von bis zu sechs Monaten verzeichnen die rund 430 Innungsbetriebe in den elf regionalen Dachdecker-Innungen.
„Diese Vorlaufzeiten könnten kürzer sein, wenn wir mehr Fachkräfte beschäftigen könnten“, so der Hinweis von Dipl.-Kfm. Thorsten Meyerhöfer, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands mit Sitz in München. Im Jahresdurchschnitt 2022 zu 2021 ging die Zahl der Beschäftigten auf 5.269 – also um 1,4 % - zurück. Auch die Auszubildendenzahl, die im KPZ Kompetenzzentrum Dachtechnik Waldkirchen e. V. im Landkreis Freyung-Grafenau ihre überbetriebliche Ausbildung erhalten, sank auf 299 gegenüber 320 im Vorjahr. Als bemerkenswerten und erfreulichen Trend bezeichnet Meyerhöfer dabei den zunehmenden Anteil weiblicher Auszubildenden: Derzeit erlernen 17 künftige Dachdeckerinnen dieses Handwerk.
Dennoch kein Grund für Bayerns Dachdeckerinnen und Dachdecker, den Kopf in den Sand zu stecken: „Dachdecker gab es schon rund 1.000 Jahre vor dem ersten Bachelor und Master – und auch in Zukunft brauchen auch Universitäten und Hochschulen wind- und wettersichere und beheizbare Gebäude“, so Landesinnungsmeister Kreuzer mit einem Augenzwinkern zum „Studium-Hype“ bei den Schulabgängern und deren Eltern.
Ungebrochen begehrt ist der Meisterbrief in diesem Handwerk: 22 Dachdeckerinnen und Dachdecker werden derzeit im KPZ Dachtechnik auf ihre Meisterprüfung vorbereitet.
Teures Bauen – praxisferne Förderung
Durch die ständig steigenden technischen Mindestanforderungen, Materialpreise, die sich auf hohem Niveau eingependelt haben, zusätzlichem Bürokratieaufwand und gestiegenen Personal- und Personalnebenkosten steigen die Baupreise. „Da ist es fernab der Realität, wenn der Bund Familien mit einem maximalen Bruttoeinkommen von 60.000 € mit zinsgünstigen Darlehen von höchstens 140.000 € zum Bauen animieren will“, wundert sich auch Kay Preißinger, stellvertretender Landesinnungsmeister aus der Metropolregion Nürnberg. Daher auch seine Forderung: „Wenn wir Wohnraum schaffen sollen – und das müssen wir dringend – müssen finanzielle Anreize für den Ausbau von Dachgeschossen geschaffen werden und bürokratische Hürden fallen“. Schließlich liegt nach Preißingers Ansicht damit ein enormes Wohnraum-Potenzial brach, obwohl gerade hier eine schnelle Umsetzung ohne zusätzlichen Flächenverbrauch möglich wäre.