Von Freitag, den 29. Juni bis Sonntag, den 1. Juli ist in Chieming ausnahmsweise nicht der Chiemsee, sondern das Dachdeckerhandwerk im Mittelpunkt des Interesses. Auf Gut Ising treffen sich rund 220 Dachdecker, Baustoffhandel und Hersteller – nicht nur aus Bayern – zum Landesverbandstag.
Fachkräftemangel und fehlender Nachwuchs
Eigentlich stehen die fast 890 bayerischen Dachdeckerbetriebe (davon 446 Innungsbetriebe) mit ihren vollen Auftragsbüchern auf der Sonnenseite. Würde nicht der Fachkräftemangel deutliche Schatten werfen. So gehört für deren Kunden das Warten auf die Dach-Experten inzwischen schon zum Alltag. Neben Neubau und Sanierung sind die Betriebe derzeit auch mit Soforthilfe nach mehreren schweren Unwetterlagen restlos ausgebucht.
Für Landesinnungsmeister Kreuzer ist die angespannte Personalsituation auch eine Folge des „Abitur-Wahns“ vieler Eltern. „Wer immer noch glaubt, seinen Kindern mit acht- oder neunjähriger Nachhilfe bis zum Abitur bessere Berufsperspektiven bieten zu können als mit einer soliden Handwerksausbildung muss sich nicht wundern, wenn er auf den Handwerker wartet“. Ohne Dachdecker gäbe es schließlich auch keine Schulen und Hörsäle, wie er betont.
Neues Wohnheim für Auszubildende fast fertiggestellt
Um dem künftigen Dachdecker-Nachwuchs die Zeit der Blockbeschulung und der überbetrieblichen Ausbildung noch attraktiver zu machen, entsteht derzeit ein neues Wohnheim am zentralen Ausbildungsort Waldkirchen im Landkreis Freyung-Grafenau. Jeweils 48 Auszubildende werden ab Ausbildungsjahr 2018/2019 in dem von Bund und Freistaat Bayern geförderten Projekt in Zweibettzimmern mit den neuesten Standards wohnen und lernen können. „Für die Realisierung des Projekts haben unsere Innungen enorme Eigenmittel bereitgestellt“, erklärt Ausbildungs- und Hauptgeschäftsleiter des Landesinnungsverbandes des Bayerischen Dachdeckerhandwerks, Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Werner.
Der Meister macht‘s
Waldkirchen im Bayerischen Wald ist auch die „Meisterschmiede“ des bayerischen Dachdeckerhandwerks. Jährlich werden dort bis zu 24 Gesellen zu Meistern ihres Dach-Fachs ausgebildet. Nach wie vor ist im Dachdeckerhandwerk der Meistertitel Grundvoraussetzung für die eigene Betriebsgründung oder eine Betriebsführung.
Handwerk hat Zukunft
Auch ohne Meistertitel im Gepäck gehört die Beschäftigung im Dachdeckerhandwerk zu den zukunftssichersten Berufsperspektiven. Neue Wohnraumprogramme von Bund, Ländern und Kommunen sowie ein stark steigender Wohnraumbedarf werden für das „Handwerk ganz oben“ fast schon zur Arbeitsplatzgarantie, wie Landesinnungsmeister Kreuzer betont. Hinzu kommen die laufenden und künftigen Aufträge zur energetischen Optimierung von Gebäuden.
Die aktuellen Mitarbeiterzahlen (4.998 gewerbliche Arbeitnehmer = + 1,0 %) und eine Bruttolohnsumme von über 153 Mio. € (+ 0,5 %) unterstützen diese Aussage. Dennoch hofft Kreuzer auf noch mehr Auszubildende (aktuell 267) als bisher. „Denn die Zukunft hat längst begonnen und die dürfen wir uns nicht durch Fachkräftemangel zunichte machen lassen“.