Um die offenbar unstillbare Sehnsucht unser "Dorf" so schön zu machen, wie es nie gewesen ist, zu befriedigen, soll nun auch die Rotunde der Schirn zur Disposition stehen. Und die Oberbürgermeisterin nennt es "einen interessanten Vorschlag".
Das Nebeneinander zeitlicher Schichten, unterschiedlicher städtebaulicher und architektonischer Haltungen, das "Stadt" erst ausmacht, das diese prägt und interessant macht, soll im "Herzen" Frankfurts also keine Rolle mehr spielen. Um ein homogenes, dem derzeitigen Zeitgeschmack einer Gruppe entsprechendes Bild zu ermöglichen, scheint jedes Mittel recht.
Wird bei der Großmarkthalle darüber gestritten, ob ein für seine Entstehungszeit wichtiges Bauwerk in Details verändert werden darf, so ist es an dieser noch sensibleren Stelle der Stadt offensichtlich vorstellbar, ein ebenfalls herausragendes Bauwerk einer anderen Zeit in seiner Grundkomposition zu zerstören. O tempora, o mores: Welch ein Verfall der Sitten!
Die Entscheidung, das Technische Rathaus abzubrechen, statt die längst fällige Sanierung anzugehen, ließ sich – über die im Augenblick vorherrschende Meinung hinaus, das Gebäude sei hässlich (das könnten spätere Generationen übrigens auch anders bewerten) – darüber rechtfertigen, dass es städtebaulich nicht eingebunden und viel zu groß und massiv für den Ort ist. Das sind zwei echte Argumente, die weiter reichen, als die formale Diskussion, wie Häuser an diesem Ort der Stadt aussehen sollten.
Doch handelt es sich bei der Schirn um ein relativ neues, voll funktionstüchtiges und gut erhaltenes Bauwerk, das sich sensibel und intelligent in seine städtebauliche Situation integriert und diese positiv prägt. Angesichts einer solchen Ausgangslage einen Abriss des charakteristischsten architektonischen Elements vorzuschlagen, zeugt von einem gebrochenen Verhältnis zur Geschichte der Stadt und von einem Mangel an Fantasie bei ihrer weiteren Entwicklung.
Vor diesem Hintergrund bekräftigt der Bund Deutscher Architekten seine Auffassung, dass eine lebendige und unverkrampft gestaltete neue "Altstadt" nur zu erreichen ist, wenn
- es einerseits wenige, aber klare und einfache städtebauliche Vorgaben gibt, die eine kleinteilige Bebauung mit bestimmten Volumina festlegen
und
- andererseits ein Gestaltungsbeirat einberufen wird, der gerade nicht unter der Knute der Politik oder von lokalen Interessensgruppen steht, sondern von außen betrachten, bewerten und entscheiden kann, ob ein Entwurf für das Areal geeignet ist oder nicht – was er natürlich zu begründen hat.
Städte wie Regensburg haben mit externen Beratern, die nicht aus den lokalen Sehnsüchten, politischen Kraftverhältnissen oder auch eigenen Planungsinteressen heraus entscheiden, sehr gute Erfahrungen gemacht. Durch eine solche Vorgehensweise bestünde die Chance, auch in Frankfurt am Main wirklich schöne und interessante Häuser zu erhalten, die insgesamt – und darauf kommt es ja an – ein gelungenes Ensemble bilden.
Die neueste Entwicklung in der geführten Diskussion zeigt, wie gut es tun würde, nicht nur lokale Akteure zu Wort kommen zu lassen.