Mit Schuppenflechte zu leben, ist eine Last. Schuppende, gerötete und juckende Hautareale, Ausschläge und Schmerzen machen das Leben oft unerträglich. Das weiß Ottfrid Hillmann, 60 Jahre, nur allzu gut. Als er mit 16 Jahren erkrankte, konnte ihm sein Arzt nicht helfen. "Das ist wie Akne, das wächst sich aus", bekam Hillmann damals zu hören. Doch als Jugendlicher wollte er mit den schuppigen Hautstellen nicht leben und sich schon gar nicht zeigen. Er sann auf Abhilfe. Mit Nagellackentferner konnte Hillmann seine auffälligen Flecken wegätzen. "Das hat zwar tierisch gebrannt, aber sie wurden kleiner und gingen weg."
Dann, im Alter von 45 Jahren, kamen die Flecken über Nacht zurück, nach fast 30 Jahren Stillstand. Heute führt das Ottfrid Hillmann auf den Stress zurück, den er damals hatte. Ihm drohte Arbeitslosigkeit und auch privat gab es Probleme.
In Deutschland zählt Schuppenflechte zu den häufigsten chronischen Entzündungskrankheiten überhaupt. Fast zwei Prozent der Bevölkerung - mindestens 1,6 Millionen Deutsche - sind betroffen. In Europa sind es mehr als 14 Millionen. Die Langzeitfolgen werden meist unterschätzt. Eine Psoriasis ist oft mit Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herz- und Kreislaufstörungen oder auch einer Depression verbunden. Jeder fünfte Psoriasis-Patient entwickelt mit der Zeit eine Arthritis.
Hinzu kommt: mit der medizinischen Behandlung ihrer Erkrankung sind Psoriasiskranke oft unzufrieden. Viele - Experten schätzen rund 40 Prozent - gehen überhaupt nicht mehr zum Arzt. "Jeder zweite Patient mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis ist wahrscheinlich medizinisch unterversorgt, obwohl klinisch wirksame systemische Therapieoptionen zur Verfügung stehen," schätzt der niedergelassene Dermatologe und Psoriasis-Experte Dr. Ralph von Kiedrowski.
Bessere Versorgung europaweit
Diesen Eindruck bestätigt ein "White Paper" des Competenzzentrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie und Venerologie (CVderm), das die Versorgungslage von Psoriatikern in Europa untersucht hat. "Viele Patienten, die an Schuppenflechte erkrankt sind, werden nur unzureichend versorgt und werden noch nicht einmal mit ihrem Leid ernst genommen", fasst der Leiter des CVderm Prof. Matthias Augustin, die Ergebnisse zusammen. Das gelte für ganz Europa. Zudem weicht die Versorgungsqualität in den verschiedenen europäischen Ländern erheblich voneinander ab, wie das White Paper zeigt.
Da Psoriasis keine Grenzen kennt, haben Dermatologen und Patienten inzwischen eine Petition an die Gesundheitspolitik in den Ländern und in der EU-Kommission adressiert. Die Forderungen sind eindeutig: Frühzeitiger Zugang zu einer hochwertigen Versorgung und eine adäquate therapeutische Behandlung zum richtigen Zeitpunkt seien wesentlich, um langfristig Psoriasis Patienten erfolgreich helfen zu können. "Wir müssen die zur Verfügung stehenden Ressourcen so effektiv wie möglich einsetzen", fordert Augustin als Vorsitzender der European Expert Working Group for Healthcare in Psoriasis (EEWGHP).
Hillmann kennt das Problem nur zu gut. Als er jung war, konnte ihm kein Arzt helfen. Später, mit Mitte Vierzig, fand er dann mit Hilfe des Deutschen Psoriasis Bundes (DPB) einen Dermatologen, der sich mit der Diagnose Schuppenflechte auskennt. Engagement auf beiden Seiten und eine gute Beziehung zwischen Arzt und Patient seien unerläßlich, damit die Behandlung der Schuppenflechte dauerhaft erfolgreich verläuft. Die Wirkung von Medikamenten und Salben lasse nach einer gewissen Therapiedauer nach, daher müsse die Behandlung regelmäßig angepaßt werden, so Hillmann.
Vernetzung soll die Versorgung verbessern helfen
Doch immer noch sind viele Psoriatiker und auch viele Ärzte unzureichend über die Möglichkeiten einer adäquaten Behandlung der Schuppenflechte informiert, weiß Versorgungsexperte Augustin nach einer Vielzahl von Studien. Aus diesem Grund schließen sich in Deutschland immer mehr Dermatologen und andere an der Behandlung beteiligte Fachärzte wie Rheumatologen, Internisten und Allgemeinmediziner in regionalen Psoriasis-Netzwerken, den PsoNets zusammen. Sie bilden sich regelmäßig in Qualitätszirkeln weiter, tauschen Fachwissen über neue Therapiemöglichkeiten aus und überweisen besonders schwere Fälle innerhalb des Experten-Netzwerks.
"Eine Kooperation und enger Kontakt mit Rheumatologen, Gastro-Enterologen und Hausärzten bei der Behandlung sind zwingend notwendig, um Patienten einen oft langen Leidensweg zu ersparen", betont Dr. Margrit Simon, Vorsitzende des regionalen PsoNet Berlin/ Brandenburg. Die niedergelassene Berliner Dermatologin schätzt die effiziente Zusammenarbeit und den guten Draht zwischen den Fachärzten innerhalb des Netzwerks. So funktioniere die Überweisung ihrer Patienten mit Arthritis zu Rheumatologen schnell und unkompliziert. Auf der anderen Seite seien Dermatologen des Netzes in der Diagnostik der Gelenke und damit in der frühzeitigen Erkennung einer Arthritis ausgebildet, die dann der auf Rheuma spezialisierte Fachkollege abklären kann. "So werden unnötige Überweisungen zu rheumatologischen Fachärzten vermieden," betont Simon.
Patienten können die PsoNet-Initiative bundesweit für sich nutzen. Über die Internetseite www.psonet.de können sie in einer Reihe von Regionen gezielt und schnell Adressen von spezialisierten Dermatologen in ihrer Nähe herausfinden.
Hilfe durch Selbsthilfe
Auch der Deutsche Psoriasis Bund hilft Patienten, den richtigen Arzt zu finden und bietet zudem in regional organisierten Selbsthilfegruppen eine kontinuierliche Unterstützung an. Denn häufig ziehen sich Psoriatiker aus Scham- und Schuldgefühlen aus der Öffentlichkeit zurück.
Das kennt auch Ottfrid Hillmann. Doch irgendwann wollte er sich nicht mehr verstecken und beschloss, offen und progressiv mit seiner Erkrankung umzugehen. Es entstand in ihm der Wunsch, die Erfahrungen des Selbststigmas, anderen Erkrankten zu ersparen. Mittlerweile leitet er selbst eine Selbsthilfegruppe im DPB in Düsseldorf und hat das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden im DPB inne. "Mit Psoriasis leben, heißt Grenzen überschreiten", so sein Motto und Hillmann weiß, wovon er spricht.