- BITKOM bezeichnet Maßnahmen der Bundesregierung als unzureichend
- Grundlegende Reform des Zuwanderungsgesetzes notwendig
- Zuzug von Fachkräften über ein Punktesystem regeln
Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) hat die Beschlüsse des Bundeskabinetts zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Bereich des Zuwanderungsrechts als unzureichend kritisiert. "Die Chance auf eine Öffnung des Arbeitsmarktes für hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland ist nicht genutzt worden", sagte BITKOM-Präsident Prof. August-Wilhelm Scheer. "Es herrscht offenbar immer noch die Angst, dass Zuwanderer den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie entlasten die Sozialsysteme, fördern das Wachstum und schaffen neue Arbeitsplätze." Das belegen Untersuchungen von Wirtschaftswissenschaftlern und Migrationsforschern, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels seit langem eine gesteuerte Zuwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften nach Deutschland fordern. "Es geht nicht darum, einen kurzfristigen Bedarf auf dem Arbeitsmarkt zu decken", sagte Scheer mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel in der Hightech-Branche. "Wir müssen den Wettbewerb um die Top-Talente dieser Welt annehmen, um die Innovationskraft unseres Landes langfristig zu erhalten."
Die Bundesregierung plant nach den Beschlüssen von Meseberg, den deutschen Arbeitsmarkt für Ingenieure aus den neuen EU-Ländern in Osteuropa früher zu öffnen als bislang vorgesehen. "Diese Öffnung muss auch für Informatiker und IT-Berater gelten, die vor allem in der ITK-Branche händeringend gesucht werden", sagte Scheer. In der gesamten deutschen Wirtschaft gibt es nach BITKOM-Berechnungen aktuell rund 40.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte, davon 20.000 allein in der IT-Branche. Gesucht werden insbesondere Software-Entwickler, IT-Berater und Projektmanager.
Nach Ansicht des BITKOM reicht die Fokussierung auf die Qualifizierung von Arbeitslosen nicht aus, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. "Trotz der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit sind Informatiker und Ingenieure knapp. Das bremst das Wachstum vieler Unternehmen", sagte Scheer. Die Zahl der arbeitslosen Datenverarbeitungsfachleute hat sich seit Anfang 2005 auf aktuell rund 30.000 halbiert. Scheer: "Das entspricht in diesem Berufsfeld Vollbeschäftigung." Ein Grund dafür, dass Fachkräfte trotz hoher Arbeitslosigkeit fehlen, ist der Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft. In einer Informations- und Wissensgesellschaft steigt der Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften an. So hat eine repräsentative BITKOM-Umfrage in der ITK-Branche ergeben, dass zwei Drittel der Unternehmen im IT-Bereich ausschließlich Hochschulabsolventen suchen. Das Bildungssystem in Deutschland ist aber nicht in der Lage, die Nachfrage der Wirtschaft zu decken.
Der BITKOM begrüßt daher, dass die Bundesregierung die Arbeitsmöglichkeiten für ausländische Studierende erleichtern will, die in Deutschland ihren Abschluss machen. Die so genannte Vorrangprüfung soll wegfallen und sie dürfen dann drei Jahre lang hier arbeiten. Allerdings ist auch dieser Schritt nur halbherzig. "Die Greencard-Regelung hat gezeigt, dass ein Gastarbeiterstatus für Hochqualifizierte nicht interessant ist", sagte Scheer. Die Reform des Zuwanderungsgesetzes muss aus Sicht des BITKOM die Einkommensgrenze von 85.000 Euro als Voraussetzung für eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis halbieren. Der Kern muss die Einführung eines Kriterienkatalogs (Punktesystem) sein, der die Zuwanderung nach Merkmalen wie Qualifikation, einschlägigen Sprachkenntnissen und Alter steuert. Ein Kriterienkatalog ist kein Automatismus für Zuwanderung, sondern ein flexibles Steuerungsinstrument. Die Politik kann von Jahr zu Jahr neu entscheiden, ob und wenn ja wie viele Zuwanderer nach Deutschland kommen dürfen.