„Menschen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, fühlen sich häufig ausgeschlossen, denn in der modernen technik- und dienstleistungsorientierten Arbeitswelt sind diese Fähigkeiten das Fundament für gesellschaftliche Teilhabe und sichere Beschäftigung", sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. „Gemeinsam mit den Ländern und vielen weiteren Partnern wollen wir in den nächsten zehn Jahren erreichen, dass mehr Menschen den Mut finden, auch in späteren Lebensphasen ihre Fähigkeiten im Lesen und Schreiben zu verbessern. Ich will dabei ausdrücklich hervorheben, dass die von uns geförderten Programme und Projekte für Flüchtlinge offen stehen, um sie beim Deutschlernen zu unterstützen."
Das Bundesbildungsministerium weitet das Programm „Lesestart" aus. Ab März 2016 werden alle Flüchtlingskinder bis fünf Jahre in Erstaufnahmeeinrichtungen ein speziell konzipiertes Lesestart-Set mit einem kindgerechten Buch erhalten. Allen Erstaufnahmeeinrichtungen wird eine Lese- und Medienbox für die pädagogische Arbeit mit den Kindern zur Verfügung gestellt. Unterstützung erhalten die Einrichtungen auch, wenn sie Vorlesepaten einsetzen möchten. Zudem wird das Bundesbildungsministerium die Entwicklung einer App zum Deutschlernen fördern. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass Flüchtlinge häufig Smartphones nutzen, die auch als potenzielles Lernmedium dienen können.
„Mit der Dekade für Alphabetisierung setzen wir das Thema ganz oben auf die bildungspolitische Agenda. Gesellschaft, Unternehmen und Gewerkschaften sowie Bildungsinstitutionen und Medien sind dazu aufgerufen, ein Klima zu schaffen, das es den betroffenen Menschen leichter ermöglicht, ihre Lese- und Schreibkompetenzen zu verbessern und entsprechende Angebote wahrzunehmen", betonte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Staatsministerin Brunhild Kurth.
Neben dem quantitativen Ausbau der Maßnahmen für Alphabetisierung und Grundbildung werden in den Ländern Konzepte zur qualitativen Stärkung der Angebote entwickelt und erprobt. „Ziel muss es sein, durch passgenaue Angebote die Hemmschwelle für die Betroffenen so niedrig wie möglich zu halten", so die KMK-Präsidentin weiter. Mit der Einrichtung regionaler Grundbildungszentren wird dazu der Ansatz verfolgt, betroffene Menschen stärker in ihrer Umgebung zu erreichen und mit neuen Lernangeboten anzusprechen. Sehr wichtig ist es dabei, in den Kommunen und Landkreisen lokale Bündnispartner zu gewinnen und Netzwerke aufzubauen.
Mit den Ergebnissen der vom Bundesbildungsministerium geförderten leo.level-one Studie wurde 2011 bekannt, dass in Deutschland 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter so genannte funktionale Analphabeten sind. Sie können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch zusammenhängende, auch kürzere Texte wie zum Beispiel eine schriftliche Arbeitsanweisung verstehen.
Die Maßnahmen des Bundesbildungsministeriums werden insbesondere arbeitsmarktnahen Themen und Zielgruppen gelten. Ziel ist es zum Beispiel, Grundbildung in den Kontext von betrieblichen Weiterbildungsangeboten einzubauen. Eine wichtige Rolle kommt bei der Alphabetisierung auch den Gewerkschaften zu. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund hat das Bundesbildungsministerium ein Konzept zum Einsatz von Lernberaterinnen und –beratern in den Betrieben entwickelt, das nun flächendeckend angeboten werden soll. Um Unternehmen zu motivieren, will das Bundesbildungsministerium künftig jedes Jahr ein in der Alphabetisierung besonders engagiertes Unternehmen mit einem Preis auszeichnen. Eine Informationskampagne des Bundesbildungsministeriums soll zudem über funktionalen Analphabetismus informieren und das Thema enttabuisieren. Die Kampagne soll betroffene Menschen motivieren, den Schritt in die Weiterbildung zu gehen.
CDU/CSU und SPD hatten in der Koalitionsvereinbarung 2013 beschlossen, die bisherige Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung in eine Dekade für Alphabetisierung zu überführen und die Förderung dafür auszubauen. Bereits in der Nationalen Strategie waren neben Bund und Ländern auch zahlreiche gesellschaftliche Gruppen engagiert. In der Dekade für Alphabetisierung sollen weitere hinzukommen, um eine noch breitere Basis für die Unterstützung Betroffener zu erhalten.
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