- BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt und MS&AD Andretti Formula E CEO Michael Andretti im Doppel-Interview.
- Starkes Bekenntnis zu enger Partnerschaft in der Formel E.
- Marquardt und Andretti sprechen in lockerer Atmosphäre auch über musikalische, kulturelle und kulinarische Interessen.
Herr Marquardt, Herr Andretti, Saison 4 der Formel E hat begonnen. Wie lauten Ihre Ziele mit dem MS&AD Andretti Formula E Team?
Michael Andretti: „Natürlich ist unser Ziel, besser abzuschneiden als in der Vergangenheit. Das vergangene Jahr war nicht das Beste für uns. Ich hoffe, wir können uns steigern. Ein realistisches Ziel wären Plätze in den Top-5, da können wir hinkommen. Vielleicht springt auch hin und wieder ein Podium dabei heraus.“
Und aus BMW Sicht?
Jens Marquardt: „Wir tauchen in diesem Jahr auf jeden Fall noch tiefer in die Formel E ein und bringen uns noch stärker ins MS&AD Andretti Formula E Team ein. Wir haben in dieser Saison drei Mitarbeiter in Vollzeit beim Team und unterstützen, wie und wo wir es am besten können, um zusammen mit den Fahrern das Maximum aus dem Paket herauszuholen. Natürlich nutzen wir auch unsere Ressourcen zu Hause in München. Zugleich sammeln wir bei BMW Motorsport und BMW i natürlich auch Informationen, die uns helfen, den Antriebsstrang für Saison 5 zu entwickeln. Das Programm läuft parallel.“
Michael, Sie sind vom ersten Tag an in der Formel E aktiv. Wie hat sich die Serie seitdem entwickelt?
Andretti: „Es ist fantastisch zu beobachten, wie der Traum von Formel-E-Gründer Alejandro Agag Realität geworden ist. Seine Vision war, Unternehmen wie BMW in der Formel E die Bühne zu bieten, um auf der Rennstrecke gegen andere Hersteller antreten zu können. Das hat er erreicht. Für uns ist es eine große Ehre, vom ersten Tag an dabei zu sein. Wir sind ein Teil der Zukunft des Rennsports.“
Jens, haben Sie auch daran geglaubt, dass sich die Serie so gut entwickeln wird?
Marquardt: „Ja, das habe ich. Und es war auch wichtig, dass BMW von Beginn an als Official Vehicle Partner der Serie dabei war. Natürlich waren da ein paar Dinge, über die wir mit Alejandro und seinen Leuten diskutiert haben. Unsere Beteiligung hing auch davon ab, ob einige Veränderungen in der Formel E umgesetzt werden. Der Fahrplan, den Alejandro dafür vorgelegt hat, ist mit allen technischen Schritten komplett eingetreten. Das hat uns die Entscheidung leichter gemacht, als Hersteller auch auf der Rennstrecke dabei zu sein. Wir haben dann mit Michaels Mannschaft ein Team gefunden, das auf einem Top-Level im Rennsport arbeitet und viel Formel-E-Erfahrung mitbringt. Für uns war das wirklich ein ideales Szenario. Diese Partnerschaft jetzt auf das nächste Level zu bringen, zusammen in Saison 4 aktiv zu sein und zugleich schon auf Saison 5 zu schauen, das ist für uns alle sehr spannend.“
Sie haben beide den Motorsport schon aus eigener Erfahrung in vielen verschiedenen Rennkategorien erlebt. Was ist für Sie so faszinierend an dem Projekt Formel E?
Andretti: „Für mich persönlich sind das an erster Stelle die Austragungsorte. Wenn man an Plätze wie New York, Paris, London oder Hongkong kommt, wo andere Rennserien Jahrzehnte lang versucht haben zu fahren, dann beeindruckt mich das wirklich. Es ist sensationell, was Alejandro und sein Team da geschafft haben.“
Marquardt: „Bei mir ist es mehr der technologische Aspekt. Wir haben in der Vergangenheit oft darüber gesprochen, Dinge vom Rennsport in die Serienproduktion zu bringen. Das traf noch nie so sehr zu wie auf die Formel E. Hier haben wir ein wirkliches Entwicklungslabor für unsere Serien-Technologie. Alles, was wir hier machen, ist modernster Stand der Technik. Wir haben genau die Ingenieure, die den BMW i3 und den elektrischen Antriebsstrang des BMW i8 entwickelt haben. Wir haben ihnen gesagt: Legt alle Überlegungen ab, die ihr normalerweise in der Entwicklung habt, und denkt einmal nur an die Performance, die höchste Effizienz, das geringste Gewicht, das beste Gesamtpaket. Wenn wir diesen Punkt dann erreicht haben, dann machen wir uns Gedanken, wie wir genau das in die Serienproduktion integrieren können, zum Beispiel für die BMW iNext und alle BMW i Modelle der nächsten Generationen. Für uns ist das die perfekte Umsetzung unseres Credos: von der Rennstrecke ins Straßenauto.“
Bevor Ihre Partnerschaft begonnen hat, was wussten und dachten Sie von Ihren künftigen Partnern? Michael, was wussten Sie über BMW Motorsport?
Andretti: „Ich habe immer verfolgt, was BMW Motorsport gemacht hat und was sie alles gewonnen haben. Unser Team hat mit MS&AD Insurance in der Formel E bereits einen sehr starken Partner, mit dem wir ausgezeichnet zusammenarbeiten. Dass sich nun auch unsere Kooperation mit BMW immer weiter intensiviert, ist für unser Team eine großartige Situation.“
Jens, Sie haben viele Jahre in den USA gearbeitet. Hatte der Name Andretti damals schon eine besondere Bedeutung für Sie?
Marquardt: „Das hatte er wirklich. Aber das geht schon weiter zurück. Ich glaube, Michael kennt diese Geschichte noch gar nicht. Als Zehnjähriger bin ich immer mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule Rennen gegen meinen Bruder gefahren. Er war zu der Zeit immer Jackie Stewart, ich war Mario Andretti – weil Michaels Vater diesen wunderschönen schwarz-goldenen John Player Special Lotus gefahren ist. Ein paar Fahrrad-Rennen zur Schule habe ich als Mario Andretti dann auch gewonnen. In den späten 1990ern kam ich dann nach Amerika und hatte mit den IndyCars zu tun, und da war Michael ein Held. Er gewann viele Rennen, auch viele gegen das Team, für das ich gearbeitet habe. Dieser Familienname und Michael selbst mit allem, was er erreicht hat, so etwas findet man im Motorsport nicht oft auf der Welt.“
Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Amerikanern?
Andretti: „Ich denke, das passt gut. Es stimmt, die Kulturen sind ein bisschen unterschiedlich, aber am Ende sind wir alle Racer. Nur darum geht es. Da sprechen wir die gleiche Sprache. Wir sehen seit Jahren mit unserem japanischen Partner MS&AD, wie gut sich unterschiedliche Kulturen im Rennsport ergänzen.“
Marquardt: „Ich glaube, wir ergänzen uns sehr gut. Was Michael und sein Team mit dem amerikanischen Ansatz einbringen, funktioniert zusammen mit dem manchmal vielleicht etwas technokratischen deutschen Ansatz ziemlich gut. Denn man braucht beides, um Erfolg zu haben. Es stimmt, die Kulturen sind ein bisschen unterschiedlich, aber am Ende sind wir alle durch unsere Leidenschaft für den Rennsport verbunden.“
Wie sieht der Fahrplan für Saison 5 aus? Gibt es Unterschiede zwischen den Planungen von BMW und dem Team?
Andretti: „Das spielt bereits alles zusammen. Im Moment arbeiten wir alle schon sehr hart am Antrieb für Saison 5. Gleichzeitig arbeiten wir hart dafür, mit den MS&AD Andretti Autos in dieser Saison so erfolgreich wie möglich zu sein. Der Fahrplan ist auf beiden Seiten der gleiche.“
Marquardt: „Es ist schon eine Herausforderung, und ich glaube, dass es im Moment für Michael und sein Team ein bisschen schwieriger ist als für uns bei BMW. Denn die Mannschaft muss natürlich den vollen Fokus auf Saison 4 und die Rennen legen, dazu aber noch parallel das erste neue Auto testen, sobald es fertig ist. Die Entwicklung des Antriebsstrangs läuft momentan zwar hauptsächlich in München, aber im kommenden Jahr werden wir auch auf der Test- und Entwicklungsseite noch enger zusammenarbeiten. Ziel ist es, vom Start von Saison 5 an die maximale Performance und Effizienz zu haben.“
Das nächste Rennen findet in Marrakesch statt. Ist es etwas Besonderes, in Afrika zu fahren? Freuen Sie sich schon darauf?
Andretti: „Ich liebe es, dass die Serie auf so vielen verschiedenen Kontinenten fährt. Es ist cool, von Hongkong nach Marrakesch zu gehen, danach dann weiter nach Südamerika. Und wir gehen ja nicht irgendwo hin, sondern direkt ins Herz dieser Länder, ins Zentrum der großen Metropolen. Das macht die Formel E so einzigartig.“
Marquardt: „Das Gastspiel in Afrika zeigt, dass die Formel E eine komplett globale Rennserie ist. Im gleichen Atemzug heißt das auch, dass Elektromobilität ein weltweites Thema ist. Die großen Städte auf dieser Welt, ganz egal auf welchem Kontinent, werden schon in naher Zukunft elektrifiziert sein. Deshalb ist BMW als Vorreiter und Global Player mit dabei. Wir freuen uns darauf, im Januar in Marrakesch anzutreten und danach auch in Südamerika, Nordamerika und Europa.“
Das Sprint-Interview: Kurze Fragen – kurze Antworten.
Welches ist die größte Herausforderung bei der Führung eines Rennteams?
Andretti: „Die richtigen Leute an den richtigen Positionen zu haben.“
Marquardt: „Und sie dann wirklich motiviert, scharfsinnig und mit viel Herzblut bei der Sache zu halten – in guten Zeiten genauso wie in schwierigen Zeiten.“
Welchen Beruf würden Sie ausüben, wenn Sie nicht im Motorsport wären?
Andretti: „Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun würde. Ich bin sehr glücklich, das machen zu dürfen, was ich liebe.“
Marquardt: „Ich wäre wahrscheinlich Lehrer.“
Welches ist Ihre Lieblingsrennstrecke?
Andretti: „Spa ist meine Lieblingsstrecke.“
Marquardt: „Da stimme ich zu. Das ist eine Männer-Strecke. Michael kennt sie als Rennfahrer, ich als Ingenieur. Es ist eine Naturstrecke und eine echte Herausforderung für jeden Fahrer.“
Welches ist Ihr bislang größter Erfolg?
Andretti: „Als ich aus der Formel 1 zurückkam und dann gleich das erste IndyCar-Rennen in Australien gewonnen habe. Das war ein großer Moment für mich.“
Marquardt: „Natürlich 2012, als wir mit BMW in die DTM zurückgekehrt sind und gleich im ersten Jahr alle drei Meisterschaften gewonnen haben.“
Welches ist Ihr Lieblings-Auto bzw. -Rennauto?
Andretti: „Bei Rennautos würde ich sagen der Lotus 79, mit dem mein Vater Formel-1-Weltmeister geworden ist. Dieses Auto war einfach wunderschön.“
Marquardt: „Ich würde da lieber zu den Straßenautos gehen: der BMW 507.“
Wer ist der beste Rennfahrer, den Sie kennen?
Andretti: „Mein Vater Mario war immer mein Held. Niemand hat erreicht, was er erreicht hat: in jeder Kategorie zu gewinnen, in der er gefahren ist. Ich glaube, dass das nicht noch einmal wiederholbar ist.“
Marquardt: „Für mich ist es Jackie Stewart. Ich habe ihn auch einige Male persönlich getroffen und war sehr beeindruckt, wie zurückhaltend er war.“
Welches ist Ihr Lieblings-Flughafen?
Andretti: „Indianapolis.“
Marquardt: „München. Denn damit verbinde ich Heimat.“
Was ist das Wichtigste im Leben?
Marquardt: „Zwei Dinge: Gesundheit und Zufriedenheit.“
Andretti: „Das sehe ich auch so.“
V8 oder BMW eDrive?
Marquardt: „Ganz einfach: in der Gegenwart V8, in der Zukunft eDrive.“
Andretti: „Sehr clevere Antwort.“
Steak oder Fisch?
Marquardt und Andretti (gleichzeitig): „Steak!“
Anzug oder Hoodie?
Andretti: „Hoodie.“
Marquardt: „Politisch korrekte Antwort: Anzug. Privat: Hoodie.“
Reisen mit Flugzeug oder Auto?
Andretti: „Das ist einfach: Flugzeug.“
Marquardt: „Das hängt von der Entfernung ab. Innerhalb Deutschlands und auch im benachbarten Ausland bevorzuge ich natürlich einen BMW. Für lange Strecken ist dann das Flugzeug gesetzt.“
Champagner oder Bier?
Andretti: „Hängt von der Situation ab.“
Marquardt: „Mineralwasser, wenn ich fahre.“
Andretti: „Noch eine clevere Antwort …“
Marquardt: „Bier an normalen Tagen, Champagner, wenn ich mit Michael zusammen Siege feiere.“
Topspeed oder Balance?
Andretti: „Balance.“
Marquardt: „Topspeed.“
Le Mans oder Nordschleife?
Andretti: „Le Mans.“
Marquardt: „Nordschleife. Nicht einmal Le Mans kann da mithalten.“
Treppe oder Fahrstuhl?
Andretti: „Treppe.“
Marquardt: „Treppe.“
Schnellste Rennrunde oder Poleposition?
Andretti: „Poleposition.“
Marquardt: „Poleposition.“
Blockbuster oder Theater?
Andretti: „Theater.“
Marquardt: „Theater.“
Metallica oder Madonna?
Andretti und Marquardt (gleichzeitig und lachend): „Metallica!“
Baseball oder Fußball?
Marquardt: „Fußball, ganz klar.“
Andretti: „Oh Gott, ich denke, Fußball.“
Tauchen oder Wandern?
Marquardt: „Definitiv Wandern. Ich mag Tauchen nicht.“
Andretti: „Auch Wandern.“