Kern der Entscheidung ist, ob den Bundesländern hinsichtlich der Regelung von Videoüberwachungen, welche sich in den Polizeigesetzen wieder findet, überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz zusteht. In der Fachliteratur ist diese Frage seit längerem umstritten. Fraglich ist dabei, ob eine Videoüberwachung unter das präventive Polizeirecht fällt, für das die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, oder zum repressiven Strafrecht gehört, für das eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern besteht.
Eine präventive Wirkung der Videoüberwachung ist entgegen anders lautenden Ansichten bis heute nicht feststellbar (Artikel in der Legal Tribune v. 28.06.2010). Auf der Hamburger Reeperbahn ist die Zahl strafbarer Gewalttaten nach Einführung der Videoüberwachung sogar gestiegen. Klar ist, dass Videokameras selbst niemanden schützen können, sondern lediglich zur Strafverfolgungsvorsorge beitragen. Dies gilt besonders dort, wo es - wie auf der Reeperbahn - häufig zu situations- und alkoholbedingten Gewaltdelikten kommt und die Beteiligten am nächsten Tag nicht einmal mehr wissen, warum sie sich geprügelt haben und noch viel weniger, wer angefangen hat.
Für die Strafverfolgungsvorsorge, die zum gerichtlichen Verfahren gehört, besteht jedoch nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern. Vom BVerwG war nunmehr die Rechtsfrage zu klären, ob der Bund vielleicht von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, indem er eben nichts gesetzlich geregelt hat. Nähme man an, dass er dies absichtlich getan hat, wären die Länder nicht befugt, Normen zur strafverfolgungsvorsorgenden Videoüberwachung zu erlassen.
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg (OVG, Urt. v. 22.06.2010, 4 Bf 276/07) hat sich in seinem Urteil zur Videoüberwachung der Reeperbahn als erstes Obergericht mit dieser Frage auseinandergesetzt. Es stutzte die Videoüberwachung der Reeperbahn so sehr zurecht, dass sich die Polizei kurze Zeit später veranlasst sah, sie ganz einzustellen. So hat das Gericht der Polizei verboten, den Hauseingang der Klägerin zu überwachen. Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers aber haben die Hamburger Verwaltungsrichter jedoch bejaht und nebenbei auch die Vorschrift des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung durch die Polizei (PolDVG) durch eine freundliche Auslegung vor der Verfassungswidrigkeit bewahrt.
Die klagende Anwohnerin war mit dem Ergebnis nicht zufrieden und ging in Revision. Das BVerwG hat diese wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen (Beschl. v. 28.03.2011, 6 B 56.10).
In dem weiteren Verfahren (BVerwG 6 C 9.11) hatten die Leipziger Richter nun die Frage zu klären, ob die offene Bildaufzeichnung im öffentlichen Raum zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge auf das Polizeigesetz eines Bundeslandes gestützt werden darf, oder ob nur der Bund zu einer solchen Gesetzgebung befugt wäre.
Insoweit sah das Bundesverwaltungsgericht die Videowachung als rechtmäßig an. Insbesondere besaß der Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass der hier einschlägigen Vorschrift. Die Videoüberwachung nach dem Hamburgischen Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei dient nach Ansicht der Richter der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgungsvorsorge.
Abzuwarten bleibt nun, ob das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort in dieser Sache sprechen wird. Die Klägerin könnte Verfassungsbeschwerde einlegen.
Aber auch wenn dies nicht geschehen sollte oder das Bundesverfassungsgericht die Rechtsansicht des BVerwG bestätigen sollte, so zeigt doch der Ausgangsfall, dass nicht jede Überwachungsmaßnahme den rechtlichen Vorgaben entspricht. Betroffene, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen, stehen nicht chancenlos da.
Wenn auch Sie nicht in einem Überwachungsstaat leben wollen, in dem Sie auf Schritt und Tritt gefilmt werden, hat der BSZ ® e.V. das Aktionsbündnis "Videoüberwachung" ins Leben gerufen. Hier vermitteln wir Ihnen fortlaufende Informationen und kompetente anwaltliche Hilfe, um sich gegen Überwachungsmaßnahmen zur Wehr zu setzen. Dies gilt insbesondere auch für die vielfältigen Beeinträchtigungen durch Videoüberwachung von Privaten.
Für weitere Informationen und Hilfe durch fachkundige Rechtsanwälte können sich Betroffene dem BSZ ® e.V. Aktionsbündnis „Videoüberwachung“ anschließen.
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