Für das grundsätzliche Verständnis dieser Entscheidung ist wichtig, zu wissen, dass es drei Haftungstatbestände gibt, aufgrund derer man als Inhaber einer IP-Adresse bzw. eines Internet-Anschlusses, von dem aus eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, zur Verantwortung gezogen werden kann.
Dies ist zum einen die Täterhaftung, aufgrund derer der haftet, der eine Urheberrechtsverletzung selbst begangen hat.
Zum anderen kommt eine Haftung als Störer in Betracht, welche für den gilt, der es als Inhaber eines Internetanschlusses einem Dritten ermöglicht, eine Urheberrechtsverletzung vom eigenen Anschluss zu begehen - zum Beispiel, weil er den Dritten nicht darauf hingewiesen hat, daß er nichts aus Tauschbörsen herunterladen darf.
Die dritte mögliche und in diesem Fall entscheidende Haftungsgrundlage ist § 832 BGB, wonach ein Aufsichtspflichtiger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, den eine zu beaufsichtigende minderjährige Person angerichtet hat. Die Ausnahme gilt dann, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist.
Der BGH hatte im vorliegenden Fall zu entscheiden, ob nun die Eltern des zum Tatzeitpunkt 13 Jahre alten Sohnes ihrer Aufsichtspflicht genügt haben.
Entgegen der Auffassung des OLG Köln, welches eine Haftung der Eltern damit begründete, dass diese die Filesharingprogamme auf dem Computer ihres Sohnes bei regelmäßigen Kontrollen hätten sehen und daher hätten Verdacht schöpfen müssen, sieht der BGH vorliegend keine Verantwortung der Eltern nach § 832 BGB.
Der BGH hat daher die Entscheidung des OLG Köln aufgehoben und die Klage abgewiesen. In seiner Pressemitteilung zum Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12 - Morpheus - begründet er dies wie folgt:
"Die Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13 jähriges Kind, dass ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet teilweise zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind die Eltern - so der BGH - erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben."
Dieses Urteil ist sicherlich für betroffene Eltern erfreulich, da es die Prüfpflichten der Eltern im Vergleich zum vorangegangenen Urteil des OLG Köln herabsetzt.
Das Urteil darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Kinder auch selbst haften, auch wenn sie minderjährig sind - dies jedenfalls dann, wenn sie über die nötige Einsichtsfähigkeit über ihr Tatverhalten verfügen. Und Kinder können auch vor Gericht verklagt werden!
Fazit der BSZ e.V. Vertrauensanwältin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht und Autorin dieses Beitrages Frau Dr. Inge Rötlich:
"Was das Urteil für den Einzelfall bedeutet, insbesondere wann die Eltern gehalten sind, das Nutzungsverhalten im Internet ihres Kindes zu überwachen, unterliegt einer differenzierten Betrachtungsweise, welche im Zweifel nur ein im Urheberrecht erfahrener Anwalt einschätzen kann."
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