„Die größte politische Verantwortung liegt eindeutig bei der Bundespolitik, doch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) entpuppt sich täglich mehr als Klimaschutzblockade ohne Gestaltungswillen“, kritisiert Carl. Im Jahr 2021 wurden die Emissionsziele des Verkehrssektors trotz Corona-Delle um etwa 3 Millionen Tonnen CO₂ überschritten. Nach § 8 Klimaschutzgesetz hätte der Minister nun ein Sofortprogramm vorlegen müssen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Verkehrssektors für die folgenden Jahre sicherstellt. Doch statt für das 9-Euro-Ticket, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „eine der besten Ideen, die wir hatten“ bewertet, ein Nachfolgeangebot vorzulegen, bleibt Wissing maximal vage und will „mit den Ländern weitergehende Maßnahmen mit dem Ziel organisatorischer Verbesserungen und der Vereinfachung der ÖPNV-Nutzung“ vereinbaren. Sofort wirksame Maßnahmen wie die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen tauchen in seinem Sofortprogramm, wie üblich nicht auf. Auch ein Umsteuern weg vom Autobahn- und hin zum Aus- und Neubau der Schiene fehlen im Sofortprogramm ebenso wie die von den Bundesländern geforderte Erhöhung der Haushaltsmittel für den Regional- und Nahverkehr. Für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP), mit das bundesweit wichtigste Verkehrs-Planungsinstrument, sind das bedenkliche Vorzeichen. Den heutigen BVWP stuft der BUND als verfassungswidrig ein. „Das Ergebnis dieser Politik sind maximale Naturzerstörung und maximale Kosten, wie sie derzeit mit dem Parallelausbau der A67, der A5 und dem Neubau der Bahnstrecke Frankfurt-Mannheim im hessischen Ried geplant sind“.
„Von der schwarz-grünen Landesregierung und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Grüne) erwarten wir, dass sie die Mobilitätswende in ihrer Zuständigkeit vollziehen und sich gegen die Klimaschutzblockade des Bundesverkehrsministers lautstark wehren“, sagt Guido Carl vom BUND. Besonders wichtig ist, dass die Landesregierung das von der Landesdelegiertenversammlung des BUND Hessen am 18.05.2022 geforderte sofortige Moratorium für alle hessischen Autobahn- und Bundestraßen-Projekte des Bundesverkehrswegeplan 2030 und die Reaktivierung zahlreicher Schienenstrecken umsetzt. Außerdem muss die Landesregierung die Ziele der Initiative „Verkehrswende Hessen“ unterstützen und das vom Trägerkreis der Initiative vorgelegte „Gesetz zur Umsetzung der Verkehrswende“ als Regierungsentwurf in den Hessischen Landtag einbringen.
„Die hessischen Kommunen sollten sich alle der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ anschließen, die sich gegenüber dem Bundesverkehrsminister für die Möglichkeit von Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit einsetzen“, wünscht sich Carl. Die Initiative wurde 2021 von sieben Städten gegründet. Bis heute sind ihr aber bundesweit 260 Kommunen beigetreten, darunter auch Frankfurt am Main, Gießen, Darmstadt, Friedberg und etliche mehr aus Hessen. Eine geringere Regelgeschwindigkeit des Autoverkehrs in den Städten ist ein zentrales Element, um den Verkehr in den Kommunen umwelt-, klima- und sozialverträglicher zu gestalten. Aus dem Vorrang des Autos muss ein Vorrang des Umweltverbundes werden. Der Umweltverbund besteht aus Fußgänger*innen, Radfahrer*innen, dem ÖPNV sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel des Umweltverbunds ist, dass im Verkehr die Wege weniger mit eigenen Autos zurückgelegt werden müssen und der Flächenbedarf für Autos in der Stadt zurückgedrängt wird.
Der BUND Hessen ruft zur Teilnahme an der Veranstaltungen der „Initiative Verkehrswende Hessen“ am kommenden Sonntag, 28.08.2022, auf, bei denen in Wiesbaden die Unterschriften an Verkehrsminister Al-Wazir übergeben werden:
Fahrrad-Sternfahrt nach Wiesbaden: https://www.verkehrswende-hessen.de/sternfahrt/
Verkehrswende-Festival in Wiesbaden: https://www.verkehrswende-hessen.de/festival/
Hintergrundinformationen:
- BUND-Forderungen zum Klimaschutzsofortprogramm der Bundesregierung für den Verkehr
- Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen:
„Der Expertenrat stellt damit fest, dass das vorgeschlagene Sofortprogramm für den Verkehrssektor ... nicht die Anforderung an ein Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 KSG erfüllt. Der Expertenrat weist ausdrücklich darauf hin, dass die vom BMDV vorgelegten Maßnahmen bis zum nächsten im KSG definierten Zieljahr (in diesem Fall 2030) eine erhebliche Überschreitung der Jahresemissionsmengen nicht verhindern würden. Durch die Vorgaben aus der Europäischen Lastenteilung (ESR) sowie aus § 4 Abs. 3 KSG würden sich deshalb die verbleibenden zulässigen Jahresemissionsmengen bis 2030 rapide verringern. Daraus könnten sich nach Auffassung des Expertenrats ohne weitere Maßnahmen kritische Herausforderungen in Bezug auf die Einhaltung der ESR-Ziele und der zukünftig zulässigen Jahresemissionsmengen gemäß angepasstem Zielpfad ergeben.“ - Beschluss der LDV des BUND Hessen am 18.05.2022: „Verkehrswende für hessische Straßenbauprojekte im Bundesverkehrswegeplan sowie aktive Schienen-Reaktivierungspolitik der Landesregierung"
- Ziele der „Verkehrswende Hessen“
- Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit: „Die Städte und Gemeinden brauchen einen neuen straßenverkehrsrechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten - auch für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und ggf. auch stadtweit als neue Regelhöchstgeschwindigkeit.“
- BUND-Petition: Zukunft sinnvoll planen: Keine neuen Autobahnen!