Strukturen des Arbeitsmarktes sind dynamisch. Durch die Wirtschaftskrise wurden Prozesse noch beschleunigt: Technologisierung und Globalisierung nehmen weiter zu. Manche Regionen erholen sich bereits vom Konjunkturabschwung, in anderen Regionen geht es nur langsam aufwärts. Gerade im von der Krise früher und härter getroffenen Südwesten wird der Fachkräftebedarf im Aufschwung wieder ansteigen, zudem wächst der Druck der Demografie.
Die Arbeitsmarktakteure in den Regionen, zum Beispiel Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern, Verbände, Politik, Kommunen und Arbeitsagenturen, müssen sich dieser Dynamik stellen und ihre Arbeitsmarktpolitik an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen. Die Bundesagentur für Arbeit reagiert auf die zunehmende Komplexität und stellt den Akteuren als neues Arbeitsinstrument den Regionalen Arbeitsmarktmonitor zur Verfügung. Vor rund 300 Gästen im Stuttgarter Haus der Wirtschaft präsentierte der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, zusammen mit Ministerpräsident Günther H. Oettinger, Arbeitgeberpräsident Professor Dieter Hundt, Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, und Eva Strobel, Leiterin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, den Monitor erstmals in der Öffentlichkeit.
Ministerpräsident Günther H. Oettinger: Arbeitsmarktinstrumente zielgenau einsetzen durch Regionalen Arbeitsmarktmonitor Obwohl Baden-Württemberg mit seiner exportorientierten Wirtschaft stark von der konjunkturellen Krise betroffen sei, stelle sich der Arbeitsmarkt noch erstaunlich stabil dar, sagte Ministerpräsident Günther H. Oettinger. "Die Betriebe zeigen Verantwortung, in dem sie so lange wie irgend möglich an ihren Beschäftigten festhalten." Die Beschäftigten wiederum seien flexibel bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit - sogar wenn sie dadurch finanzielle Opfer bringen müssten. "In dieser Situation kann die Politik durch flankierende Maßnahmen wie beispielsweise durch die verlängerte Kurzarbeiterregelung dabei helfen, das Tal der Krise zu überbrücken", unterstrich der Ministerpräsident. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit sei ein Bündel von Maßnahmen mit großem Engagement auf den Weg gebracht worden, um Menschen zu helfen, denen Arbeitslosigkeit droht oder die schon davon betroffen sind.
"Die Instrumente zur Hilfe sind vorhanden. Je zielgenauer wir sie einsetzen können, umso besser für alle Betroffenen", betonte Ministerpräsident Oettinger. Genau hier setze der Regionale Arbeitsmarktmonitor an: Er liefere den Beteiligten exakte regionale Daten, die maßgeschneiderte Hilfestellungen ermöglicht. "Die heutige Auftaktveranstaltung soll das neue Instrument bekannt machen. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, dieses neue Angebot zu nutzen", sagte der baden-württembergische Regierungschef.
Frank-Jürgen Weise unterstrich die Bedeutung des neuen Instruments: "Der Regionale Arbeitsmarktmonitor wird die Arbeitsmarktpolitik verändern. Weg von bundesweiten Einheitsrezepten hin zu individuellen Lösungen, die die besondere Lage einer Region, die Chancen und Risiken berücksichtigen." Mit dem Monitor schaffe die Bundesagentur für Arbeit erstmals ein Instrument, mit dem zukünftige Entwicklungen in räumlich begrenzten Arbeitsmärkten eingeschätzt werden könnten. "Damit wird es möglich sein, lokale und regionale Besonderheiten zu erkennen und auf spezifische Anforderungen rechtzeitig zu reagieren", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit.
Dem Monitor liegt eine Datenbank zugrunde, die mit einer Vielzahl an Daten gefüttert ist. Er bildet ab, wie hoch das Risiko in einer Region ist, die Arbeit zu verlieren (Beschäftigungsrisiko) und wie gut oder schlecht die Region strukturell aufgestellt ist (zum Beispiel soziale Lage, Schulabbrecherquote, Bildungsschnitt). Auf diese Weise entsteht ein differenziertes Bild, das hilft, die Arbeitswelt besser zu verstehen. Situationen lassen sich beschreiben und Zusammenhänge aufspüren. Die Arbeitsmarktakteure können Hypothesen formulieren und überprüfen. "Der Monitor hilft, Arbeitsmarktstrategien zu entwickeln, die über den Tag und die aktuelle Krise hinausweisen", sagte Eva Strobel. Arbeitsmarktpolitische Instrumente ließen sich zielgenauer einsetzen, Arbeitsmarktpolitik besser mit Bildungsstrategien und Wirtschaftsförderung vernetzen.
In drei Regionen Deutschlands ist der Arbeitsmarktmonitor bereits im Testlauf: in der Ortenau (Offenburg), Wetzlar und Lüneburg. Stellvertretend für viele Regionen im Südwesten stellt sich in der Ortenau die Frage, wie qualifizierter Nachwuchs für Unternehmen gesichert werden kann. Verstehen sich Unternehmen und Kommunen als Teil der Metropolregion Oberrhein, sind junge Menschen nicht verloren, wenn sie zum Studium nach Karlsruhe, Freiburg, Straßburg oder Basel gehen. Sie sind erst dann verloren, wenn sie nach dem Abschluss nicht wieder in die Region zurückkehren. Diese Aufgabe wollen die Akteure in der Ortenau mit Hilfe des Regionalen Arbeitsmarktmonitors angehen. Um Nachwuchskräfte anzulocken, braucht es vor allem Arbeitsplätze für Hochqualifizierte und familienfreundliche Wohn- und Arbeitsorte.
Der Monitor ist ein Arbeitsmittel, das mit Leben gefüllt werden muss. Er hilft, vor Ort ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Die Arbeitsagenturen sind offen für die Expertisen der Partner auf Landes- und regionaler Ebene. "Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir die Neugier auf den Monitor wecken und die Menschen zum Netzwerken motivieren", so Strobel. Die Arbeitsmarktexpertin lädt die zwölf politischen Regionen in Baden-Württemberg ein, den Monitor zu nutzen und damit die Arbeitsmarktpolitik "einen Tick besser zu machen". Im Südwesten werden im Frühjahr die Regionen Heilbronn-Franken, Rhein-Neckar und Stuttgart folgen. Bis Jahresende kann der Monitor in Baden-Württemberg in der Fläche sein.
Statement Professor Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und der Landesvereinigung baden-württembergischer Arbeitgeberverbände: "Durch den Regionalen Arbeitsmarktmonitor wird der Arbeitsmarkt vor Ort transparent gemacht. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um Arbeitslose gezielt für offene Stellen fördern und passgenau vermitteln zu können. Damit dieser Ansatz der situationsgerechten Hilfe greifen kann, sind gesetzliche Änderungen nötig. Die Politik muss die Instrumente zur Arbeitsförderung vereinfachen und den Handlungsspielraum für einen flexiblen, zielgeleiteten Einsatz vor Ort erleichtern."
Statement Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg:
"Die aktuelle Krise und der damit verbundene Strukturwandel stellen die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie vor gewaltige Herausforderungen. Jetzt werden die Karten gemischt, mit welchen Produkten unsere Wirtschaft künftig an den Märkten der Welt vertreten sein wird. Dabei müssen die Unternehmen ausreichend innovativ sein um vorne mitspielen zu können. Gleichzeitig wird es dann noch mehr auf qualifizierte und gut ausgebildete Fachkräfte ankommen, damit diese Produkte auch an unseren Standorten entwickelt und produziert werden können. Ich werbe dafür, das bestehende Cluster aus Schulen und Hochschulen, Forschung und Entwicklung sowie die Produktion, die im Zusammenspiel bisher den Erfolg des Standortes ausgemacht haben, nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Genau diesen Strukturwandel werden wir deshalb nur dann erfolgreich bewältigen können, wenn sich alle Akteure ihrer Verantwortung bewusst sind und die damit verbundenen Herausforderungen auch annehmen."
Informationen zum Hörfunkservice der Bundesagentur für Arbeit finden Sie im Internet unter www.ba-audio.de.