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Fachkräftebedarf in Hessen - Zwischenbilanz und Ausblick

Regionaldirektion, DGB und VhU fordern zügige Umsetzung des Reformprogramms der Fachkräftekommission

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Zwei Jahre nach Veröffentlichung des Berichtes der Fachkräfte­kommission Hessen haben die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit (RD Hessen), die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hessen-Thüringen heute in einer Pressekonferenz einen Zwischenbericht vorgelegt. Im September 2012 hatte die Kommission sechs Handlungsfelder mit Maßnahmenvorschlägen zur Sicherung des Fachkräftepotentials in Hessen vorgestellt:

  • Optimierung des Übergangs von Schule und Beruf
  • Erhalt individueller Beschäftigungsfähigkeit Älterer
  • Entwicklung Lebenslangen Lernens zum Standard in Hessen
  • Zentrale Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • Sicherung des Arbeitsmarktzugangs für Menschen mit Behinderungen
  • Ergänzung des inländischen Potentials durch ausländische Fachkräfte.
Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen, gab eine Zwischenbilanz: "Vieles hat sich in den letzten zwei Jahren bewegt und wir können in fast allen Bereichen deutliche Fortschritte erkennen. Exemplarisch möchte ich die deutlich gestiegene Teilnahme am Arbeitsleben von Frauen und Schwerbehinderten, aber auch von Älteren und Migranten benennen. Es bleiben aber auch Handlungsfelder. Ein Beispiel ist die noch immer hohe Zahl von jungen Menschen im sogenannten Übergangsbereich von Schule und Beruf. Hier gibt es deutlichen Bedarf zur weiteren Gegensteuerung, um die unnötige Zeit in Warteschleifen zu vermeiden und die Chancen auf einen direkten Einstieg in das Berufsleben zu erhöhen. Auch im Bereich der Nachqualifizierung von Personen ohne Berufsabschluss müssen die in Erarbeitung befindlichen Konzepte zeitnah zur Umsetzung kommen. Politik und Unternehmen, Arbeitsagenturen und Gewerkschaften sind hier gleichermaßen in der Pflicht - Fachkräftesicherung ist Politik zum Erhalt und Ausbau des starken Wirtschaftsstandorts Hessen."

Martin hob hervor: "Gute Voraussetzungen haben junge Menschen, die einen Schulabschluss aufweisen können. Die Zahl der Schulabgänger ohne Schulab­schluss ist erfreulicherweise gesunken und der selbstgesetzte Zielwert der Kommission bald erreicht." Der Anteil der Schulabgänger ohne Schulabschluss eines Jahrgangs lag 2013 bei 4,1 Prozent. Im Jahr 2000 waren noch über 10,0 Prozent aller Absolventen eines Jahrgangs ohne Abschluss.

Weitere Fortschritte gibt es bei:

  • der Beschäftigungsquote der 60 bis unter 65-jährigen: Innerhalb von sechs Jahren stieg die Quote um über 10,0 Prozentpunkte auf 26,8 Prozent an.
  • der Zahl erwerbstätiger Frauen: von 2005 bis 2013 stieg die Zahl um über 200.000 Personen auf 1.420 Millionen an.
  • der Zahl schwerbehinderter Menschen in Beschäftigung: 2013 waren rund 92.000 Menschen mit einer Behinderung beschäftigt, das sind 20,0 Prozent mehr als noch 2005.
  • der Begleitung von Migranten ins Erwerbsleben. Mit der Einrichtung des Frankfurter Welcome Centers sowie der mobilen Anerkennungsberatung hat das Land Hessen wegweisende und wichtige Schritte initiiert.
Abschließend resümierte Martin, dass sich aktuell kein flächendeckender Fachkräfte­bedarf in Hessen zeige. Es gäbe jedoch Engpässe in einzelnen technischen Berufen sowie in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass durch die steigende Erwerbstätigkeit von Älteren, Frauen und Menschen mit Behin­de­rungen Bedarfe gedeckt werden können. Die Integration von Langzeitar­beits­­lo­sen und Flüchtlingen sei ein zusätzliches Handlungsfeld, dem sich die Bundesagentur für Arbeit verstärkt widmen werde.

Volker Fasbender, VhU-Hauptgeschäftsführer: "Eine duale Berufsausbildung, verbunden mit einer Hochschulzugangs­berechtigung und damit der Option, jederzeit die eigene Qualifikation auszubauen, ist der erfolgreiche Praxis-Weg für Fach- und Führungskräfte, der einem rein schulischen Weg zum Studium und erst danach in den Beruf mindestens ebenbürtig ist. In der hessischen Wirtschaft gewinnen wir aber Jahr für Jahr weni­ger Jugendliche für die duale Berufsausbildung. Schüler, die früher die anspruchs­vollen Ausbildungsberufe besetzt haben, gehen heute direkt an die Hochschule. Dabei ist das sogenannte Übergangssystem ein Teil des Problems, denn es bietet eine leicht zugäng­liche Alternative zur dualen Berufsausbildung und die Aussicht auf die Fachhoch­schulreife. Also folgen Jugendliche dem allgemeinen Trend, bleiben im Schul­system und umgehen die Praxis. Aber der Trend zur Akade­mi­sierung geht am Arbeitsmarkt vorbei, da er theoretisch orientierte Qualifika­tionen vermittelt, die in diesem Umfang auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt werden." Fasbender verwies auf das letzte Woche vorgestellte 5-Punkte-Programm der VhU für eine attraktivere duale Ausbildung mit Hochschulzugang für Facharbeiter.

Während jeder Azubi durch ein Bewerbungsverfahren seinen Arbeitgeber von seiner persönlichen Eignung überzeugen müsse, stünden vollschulische Bildungswege und Hochschulen (außerhalb des Numerus clausus) jedem offen, der die formalen Vor­aus­setzungen erfülle. Und Jahr für Jahr gingen 17.000 Jugendliche in das Über­gangssystem, statt in die erfolgreiche duale Ausbildung. 5.100 Schüler besuchen nach der allgemeinbildenden Schule zwei Jahre die Berufsfachschule, 1.200 die einjährige höhere Berufsfachschule, 4.400 Schüler Bildungsgänge zur Berufs­vorberei­tung an Berufsschulen und 4.600 befinden sich in Berufsvorberei­tungs­maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit. Diese kompensatorischen Maßnahmen hätten sich inzwischen als Standard etabliert.

Hinzukomme die schulische Berufsausbildung, eine sinnvolle Alternative, solange es mehr Bewerber als Ausbildungsstellen gab, aber beim heutigen Bewerber­mangel entbehrlich. 2.500 Schüler begännen jährlich eine Assistenten­ausbildung an der zweijährigen höheren Berufsfachschule und erhielten einen berufsqualifizierenden Abschluss, für den es jedoch keine nennenswerte Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gebe. Der Arbeitsmarkt sei aber in der Regel nicht das Ziel dieser Gruppe. Mit einem weiteren Jahr an der Fachoberschule erhielten sie die Fachhochschulreife.

Viele Absolventen des Übergangssystems zielten sowieso auf die Fachoberschule, die aufbauend auf einem mittleren Abschluss die Fachhochschulreife biete. Dieser Schulzweig wachse im allgemeinen Trend der Akademisierung von Jahr zu Jahr. Im Schuljahr 2012/13 hätten 9.550 Schüler in der zweijährigen Form begonnen. Aber dieser Weg habe einen Preis. Studienanfänger, die über diesen Weg an die Hochschulen kämen, seien unter den Studienabbrechern weit überrepräsentiert.

Sandro Witt, stellv. Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen: "Momentan ist die Zahl der Schulabgänger noch stabil. Das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass nach wie vor zu viele junge Menschen ohne Schulabschluss die Schule verlas­sen, um dann im so genannten Übergangssystem zu verharren. Sie müssen in die Betriebe, um einen Beruf zu erlernen. Die Warteschleifen sind unnötige Bremsklötze in der Biografie dieser Menschen." Witt forderte von allen Beteiligten, die nächsten Jahre konsequent im Sinne der Fachkräftesicherung zu nutzen. "Die Ausbildung von heute, ist die Fachkräftesicherung von morgen. Der Veränderungsbedarf in der beruflichen Bildung ist unübersehbar."

In Hessen herrsche angesichts von 120.000 Menschen ohne Berufsabschluss dringen­der Nachqualifizierungsbedarf. "Der DGB schlägt ein kollegiales Mentoring für die Nachqualifizierung vor. Geschulte Kolleginnen und Kollegen begleiten die Bildungs­wege der zu Qualifizierenden." Zudem müsse die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zwingend neu geregelt werden. "500 Euro für die Anerkennung des tschechischen Restaurantmeisters zum deutschen Referenzberuf ist weniger eine Einladung als eine finanzielle Hürde."

Nicht vergessen werden dürfe die Qualität der angebotenen betrieblichen Ausbil­dungs­plätze, so Witt abschließend. "Das oft genannte Argument der Ausbildungs­unreife von jungen Menschen seitens der Arbeitgeber ist nicht haltbar. Es sind die Branchen, die händeringend nach Auszubildenden suchen, wo die Ausbildungsqualität sehr oft zu wünschen übrig lässt."

Die RD Hessen und die beteiligten Sozialpartner sind sich darüber einig, dass die ersten Schritte helfen, der demografischen Herausforderung angemessen zu begeg­nen. Es besteht Einigkeit, dass die noch offenen Handlungsfelder gemeinsam mit der Politik angegangen werden müssen.

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