- Akademiker und Fertigungsfachkräfte zunehmend gefragt
- Betriebliche Strategien zur Fachkräftedeckung variieren
Wie sehen die Betriebe die Entwicklung bei ihren Beschäftigten? Dieser Frage ging das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) an der Goethe-Universität Frankfurt im Auftrag der Regionaldirektion Hessen bei Betrieben aus der Rhein-Main Region nach einer Befragung im Jahr 2009 nochmals im Herbst 2011 nach. Erfragt wurde nicht nur die Voraussage der Gesamtentwicklung, sondern auch eine Einschätzung zu ausgewählten Berufsgruppen.
Fast jeder dritte Betrieb in der Region befürchtet betriebliche Auswirkungen aufgrund des demografisch bedingten Rückgangs an verfügbaren Arbeitskräften.
Akademiker und Fertigungsfachkräfte zunehmend gefragt
Die Probleme der Betriebe, Akademikerstellen zu besetzen, sind in den letzten zwei Jahren deutlich gestiegen. Dies gilt insbesondere für Naturwissenschaftler, Ingenieure und Informatiker. Von den Betrieben in der Region Rhein-Main, die zum Befragungszeitpunkt diese Berufsgruppe beschäftigten, hatte jeder vierte Betrieb in den letzten sechs Monaten Probleme bei der Stellenbesetzung.
Dabei beschränkt sich das Problem nicht nur auf den hochqualifizierten Bereich. Auch bei den Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung ist die Stellenbesetzung schwierig. So liegt bei den Fertigungsberufen der Anteil der Betriebe, die nach Fachleuten suchen inzwischen bei über 25 Prozent. Auch bei den Kaufleuten und Bürofachkräften gibt es zunehmend Probleme; dies vermeldet zwischenzeitlich jeder zehnte Betrieb. Noch vor zwei Jahren gab es bei dieser Gruppe kaum Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen.
Die Wissenschaftler des IWAK-Institutes sehen den starken Anstieg gegenüber dem Jahr 2009 maßgeblich durch konjunkturelle Faktoren bestimmt. 2011 wuchs das BIP in Deutschland um drei Prozent, bei der Befragung 2009 dagegen führte die Wirtschafts- und Finanzkrise zur stärksten Rezession der Nachkriegszeit.
"Der Arbeitsmarkt hat sich 2009 und 2010 auch dank des Instrumentes der Kurzarbeit schnell erholt und die Arbeitslosenzahlen sanken dementsprechend deutlich. Selbst im Krisenjahr gab es bereits Betriebe, die Stellen nicht besetzten konnten. Dies betraf wie auch jetzt nur einzelne Berufsgruppen und Regionen. Jetzt zeigt sich, dass neue Bedarfe hinzukommen. Wie zum Beispiel der Ruf nach Experten für Informatik und Softwareentwicklung", so Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen.
Betriebliche Strategien zur Fachkräftedeckung variieren
Die Strategien der Betriebe, um dem erwarteten demografisch bedingten Rückgang an verfügbaren Arbeitskräften entgegenzuwirken, sind zwischen den Wirtschaftszweigen unterschiedlich. Die verstärkte betriebliche Ausbildung, die insgesamt 40 Prozent aller Betriebe der Region Rhein-Main anstreben, favorisiert vor allem der Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Aber auch Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe gaben überdurchschnittlich häufig an, ihre Ausbildungsaktivitäten verstärken zu wollen. Die Öffentliche Verwaltung setzt eher auf innerbetriebliche Reorganisation und betriebliche Weiterbildung. Das Baugewerbe sowie der Bereich Verkehr und Lagerei sehen vor allem in der Einstellung ausländischer Arbeitskräfte Lösungsmöglichkeiten. Der Sektor Information und Kommunikation will sowohl die betriebliche Weiterbildung als auch die betriebliche Ausbildung hauptsächlich nutzen. Allerdings hat die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte ebenfalls einen hohen Stellenwert.
Strategien, die aus Sicht Frank Martins richtig, aber längerfristig nicht ausreichen werden:
"Schon jetzt haben wir die Situation, dass nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzt werden können und der Konkurrenzdruck zwischen den Betrieben, aber auch den Regionen steigt. Nicht alle werden wie erhofft ihren Fachkräftebedarf so lösen können. Erfolgversprechender ist es sicherlich, wenn die Betriebe ihre Strategien erweitern, um inländisches und ausländisches Personal zu gewinnen. Die Bundesagentur unterstützt Arbeitgeber auch bei der Suche im Ausland."
Beschäftigte passend qualifiziert
Einen möglichen Fachkräftemangel durch einen effektiveren Einsatz bislang unterwertig Beschäftigter zu reduzieren, scheint aus betrieblicher Sicht nur bedingt möglich. Nur recht wenige Betriebe sind der Ansicht, dass ein Teil ihrer Beschäftigten für ihre aktuelle Tätigkeit überqualifiziert seien. Ein Großteil der Betriebe in der Region beurteilt ihre Belegschaft als passend qualifiziert. Das Potential überqualifizierter Mitarbeiter liegt laut Befragung bei lediglich 5,0 Prozent.