- Demografischer Wandel wird Arbeitsmarkt verändern
- Einzelne Wirtschaftszweige unterschiedlich betroffen
- Erwerbspotentiale bei Frauen, Älteren und Migranten ausbauen
In den nächsten Jahren werden demografische Veränderungen deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen, so die neue Publikation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB Hessen).
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahren entwickelt sich - gemäß Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes - in Hessen bis 2060 deutlich negativ. Der demografische Wandel führt zu einem starken Rückgang: In den nächsten 10 Jahren um rund 4 Prozent, dann bis 2030 um weitere 10 Prozent, bis zum Jahr 2060 schließlich um rund ein Drittel. Bei konstanter Erwerbsbeteiligung geht die Anzahl der Erwerbspersonen um etwa eine Million zurück. Selbst ein Anstieg der Erwerbsbeteiligung (der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahren, der tatsächlich arbeitet) auf 100 Prozent würde nicht ausreichen, den Bevölkerungsrückgang zu kompensieren. Insgesamt sinkt die Bevölkerung in Hessen im erwerbsfähigen Alter von 4 Millionen im Jahr 2009 auf 2,7 Millionen im Jahr 2060.
In den Jahren 2020 bis 2030 treten die Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt aus, während die in den Arbeitsmarkt eintretenden Generationen klein sind. Ein rascher Rückgang der Erwerbsbevölkerung ist die Folge. Während in den Jahren ab 2020 rund 760.000 qualifizierte Personen den Arbeitsmarkt verlassen, betreten überhaupt nur 570.000 Personen insgesamt den Arbeitsmarkt neu. Vergleicht man nochmals die Altersgruppe der 15- bis unter 25-Jährigen, die potentiell in den Arbeitsmarkt eintritt, mit den 55- bis unter 65-Jährigen, welche den Arbeitsmarkt als nächste verlässt, so verdeutlicht sich die ungünstige Entwicklung in Hessen. Im Jahr 2024 werden nach der Hochrechnung mit rund 980.000 Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren nahezu doppelt so viele Personen dieser Altersgruppe in Hessen leben wie im Alter von 15 bis 24 Jahren.
Aufgrund der ungünstigen Altersstruktur der Beschäftigten und der demographischen Entwicklungen ist demnach auch in Hessen mit zunehmender Konkurrenz um Fachkräfte zu rechnen.
Der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung stellt eine langfristig vorhersehbare und vorhergesehene Entwicklung dar. Insofern haben Marktmechanismen - so die Studie des IAB - genug Zeit zu wirken:
"Die Löhne können steigen und die knappen Fachkräfte werden dort arbeiten, wo sie am produktivsten eingesetzt werden können", so Dr. Alfred Garloff, einer der Verfasser der Studie.
Arbeitgeber haben dann nur noch die Wahl, sich diesem Wettbewerb um hohe Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen zu stellen oder Kapazitäten in ausländische Regionen zu verlagern, in welchen noch ausreichend Arbeitskräfte vorhanden sind. Zu beachten ist, dass es sich beim demographischen Wandel um keine homogene Entwicklung handelt. Er wird in verschiedenen Regionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlicher Stärke auftreten.
Einzelne Wirtschaftszweige unterschiedlich betroffen
Die einzelnen Wirtschaftszweige sind vom demographischen Wandel in Hessen sehr unterschiedlich betroffen. Beispielsweise im Bereich der Energie- und Wasserversorgung liegt der Anteil der über 50-jährigen Beschäftigten weit über dem Durchschnitt. Ebenso ist im Bereich der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und der Sozialversicherung mehr als ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten älter als 50 Jahre. In den nächsten 15 Jahren scheiden voraussichtlich über 46.000 Beschäftigte aus Altersgründen in diesem Bereich aus. In naher Zukunft wird darüber hinaus laut IAB-Studie ein nennenswerter Teil der Beschäftigten in technischen Berufen aufgrund von Verrentungen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Nahezu jeder dritte beschäftigte Techniker in Hessen ist älter als 50 Jahre.
Erwerbspotentiale bei Frauen, Älteren und Migranten ausbauen
Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen, betont, dass die Folgen der Demographie nur dadurch abgefedert werden können, wenn entsprechende Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung zügig angegangen werden.
"Die auf uns zukommenden Probleme sind seit langem bekannt und werden durch die nun vorliegende Studie des IAB auch für Hessen transparent. Wir müssen daher dringend Ansätze diskutieren oder bereits angestoßene Entwicklungen forcieren, die eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren und Migranten ermöglichen. Auch der Übergang von Schule zu Beruf muss weiter optimiert werden. Wir werden sehr schnell feststellen, dass uns die Zeit davon läuft", so Frank Martin.
Parallel könnten Unternehmen ihren Beitrag leisten, indem sie innerbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen vermehrt fördern. Damit Frauen stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden werden, ist darüber hinaus ein weiterer Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes wichtig. Die Verbesserung von Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund ist genauso entscheidend, wie die Reduzierung der überdurchschnittlich hohen Zahl an Studienabbrechern.
Zusätzlich sollte über eine Neuregelung arbeitsmarktorientierter Zuwanderung nachgedacht werden, so Martin. Aufgrund der guten erwarteten Beschäftigungschancen für qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte ist eine Zuwanderung dieser Personengruppen aus Arbeitsmarktsicht hilfreich.