Hessen ist gut durch die Krise gekommen. Ein Grund dafür ist die im Vergleich zu anderen Bundesländern atypische Branchenverteilung: weniger verarbeitendes Gewerbe und eine ausgeprägte Dienstleistungsbranche. Auch die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen spiegelt dies wieder.
Dennoch ist, so Frank Martin, immer noch Skepsis angesagt, wenn es um das Ende der Krise geht. Nicht alle Regionen in Hessen entwickeln sich gleich positiv. Branchenverteilung und Strukturindikatoren wie Beschäftigungsquote, Jugend-Alter-Relation und Bevölkerungsentwicklung beeinflussen maßgeblich die Wachstumschancen der einzelnen Regionen.
Beschäftigungsrisiko niedriger als im Bund
Zieht man die Daten des Arbeitsmarktmonitors der Bundesagentur heran, der unter anderem die jeweils aktuellsten volkswirtschaftlichen Daten zu Auftragseingängen und Exportquoten einbezieht, zeigt sich für Hessen ein kurzfristig niedrigeres Beschäftigungsrisiko als im Bund.
Betrachtet man die einzelnen hessischen Regionen ergibt sich ein differenziertes Bild: Während für die Mehrheit der 13 hessischen Agenturbezirke ein geringes Beschäftigungsrisiko vorausgesagt wird, bestehen für Wetzlar und Offenbach größere Risiken beim Abbau von Arbeitsplätzen.
"Wetzlar steht stellvertretend für viele Regionen in Deutschland, die mit der Abwanderung junger Menschen zu kämpfen haben. Erfahrungsgemäß siedeln sich Unternehmen dort an, wo das Potential an gut ausgebildeten Arbeitskräften groß ist. Der Anteil der höher qualifizierten Beschäftigten ist im Lahn-Dill-Kreis eher gering und die Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben im Bundesvergleich unterdurchschnittlich. Dennoch ist es erfreulich zu sehen, dass die Region das Thema bereits aufgegriffen hat und aktiv daran arbeitet", so Martin.
Entwicklungspotentiale in Nordhessen geringer
Betrachtet man in einem weiteren Schritt die Wachstumspotenziale im mittel- und langfristigen Bereich, stellt sich das hessische Bild deutlich verändert dar. Speziell die nordhessischen Regionen leiden unter einem teils deutlichen Bevölkerungsrückgang, verursacht durch den Wegzug junger Menschen und Familien, der automatisch eine steigende Überalterung der Bevölkerung nach sich zieht.
Neben dem Agenturbezirk Korbach ist Bad Hersfeld die Region, die mit einem stark unterdurchschnittlichen Entwicklungspotential zu kämpfen hat. Obwohl im Vergleich zum Vorjahr die Arbeitslosenzahlen in der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld um 16,2 Prozent zurückgegangen sind, ist in der Analyse die Beschäftigungsentwicklung rückläufig. Gleichzeitig sinkt die Bevölkerung (-5,9 Prozent) und die Jugend wandert merklich ab. Ein geringer Anteil an Höherqualifizierten, eine niedrige Frauenerwerbsquote und eine im Hessendurchschnitt ältere Bevölkerung sind Faktoren, so Frank Martin, die alle Arbeitsmarktakteure zusammenbringen muss, um nach neuen Strategien für die Region zu suchen.
Günstiger sehen die Prognosen für die Regionen Gießen und Frankfurt aus: überdurchschnittlich für Frankfurt und durchschnittlich für Gießen. Obwohl bei beiden die Beschäftigung leicht zurückgeht, stimmen hier die Faktoren wie Anteil Höherqualifizierter, Beschäftigungsquote Frauen, Bevölkerungsentwicklung und das Wanderungssaldo junger Menschen unter 25 Jahren.
Die Prognose für den Offenbacher Raum ist trotz der aktuell schwierigen Situation am dortigen Arbeitsmarkt überdurchschnittlich; die Zahlen sprechen für eine mittel- bis langfristig positive Entwicklung der Region.
Am Ende des Gesprächs bilanzierte Frank Martin:
"Mit den vorgelegten Daten wollen wir Diskussionen anregen und Anstöße geben. Gemeinsam mit der Landesregierung, IHKen, Handwerkskammern, DGB und den Vertretern der Kreise und Kommunen wollen wir für Hessen gute Lösungen entwickeln, die die einzelnen Regionen voranbringen. Die Geschäftsführer der Agenturen für Arbeit sind bereits auf die Verantwortlichen in ihren Regionen zugegangen. Ich sehe uns da auf einem guten Weg."
Hintergrundinformation
Der Arbeitsmarktmonitor der BA zeigt die Dynamik und Entwicklung regionaler Arbeitsmärkte auf. Dazu werden Kennzahlen aus 88 Branchen zusammengetragen und miteinander verknüpft. Neben Umsatzentwicklung, Auftragseingang, Auftragsreichweite, Exportabhängigkeit, Ifo-Geschäftsklima-Index fließen auch Sonderfaktoren - wie Refinanzierungsbedarfe - in die Bewertung ein. Darüber hinaus werden strukturprägende Faktoren der Region erfasst. Hierzu gehören die Bevölkerungsentwicklung, die soziale Lage und der Bildungsgrad der Arbeitnehmer. Zur Analyse dient auch der Anteil von Jugendlichen, Älteren und Frauen an den Beschäftigten. Berücksichtigt werden ferner Wanderungssalden junger Arbeitskräfte sowie der Anteil Haushalte, die Leistungen der Grundsicherung beziehen. Alle Daten werden halbjährlich aktualisiert.